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Das Wunder von Bajkonur

Das Wunder von Bajkonur

Titel: Das Wunder von Bajkonur
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Weronika gebracht hatte. »Ich gebe zu: Das ist alles sehr merkwürdig. Sie sollten die physikalische Forschungsstelle in Karakanda informieren, Genosse Butejew.«
    »Haben die Genossen dort schon eine feurige schwebende Kugel, etwas größer als ein Fußball, gesehen?«
    »Ich glaube kaum.«
    »Also wissen sie genau so viel oder genau so wenig wie wir. Das hier ist ein interner Fall von Bajkonur, den wir alle gemeinsam lösen werden zum Ruhme unserer bolschewistischen Intelligenz. Wir werden Schlagzeilen machen, die ganze Welt wird uns kennen. Stellen Sie sich vor, Dr. Slobin … überall wird man es lesen: Die Tapferen von Bajkonur entlarven eine neue, raffinierte Geheimwaffe der Amerikaner! – Das können wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen und nach Karakanda weitergeben!«
    »Wir haben keine Beweise, Butejew!«
    »Aber fünf Zeugen!«
    »Ohne Kugel!« Dr. Slobin schüttelte den Kopf. »Wenn man das Ding wenigstens fotografiert hätte.«
    »Ich kann es malen!« rief Jakowlew, der Kunstmaler.
    »Das ist kein Beweis. Ich deutete es schon an: Man wird es als Massenwahn hinstellen. Politiker arbeiten mit allen Mitteln, allen Tricks, allen Gemeinheiten. Man wird keinem erklären können, daß eine feurige Kugel langsam und lautlos in einem Meter Höhe durch ein Lebensmittelgeschäft schwebt und wieder verschwindet.«
    »Es war ein Wunder«, sagte Emilia leise. »Nur das ist möglich: ein Wunder.«
    »Halten Sie den Mund, Emilia Petrowna!« donnerte Butejew wütend. »Verbreiten Sie keinen religiösen Wahn! Was heißt hier Wunder? Was soll eine leuchtende Kugel bezwecken?«
    »Darüber sollte man einen Popen befragen«, meinte Dr. Slobin.
    »Auch das noch!« schrie Rachim Victorowitsch. »Dann kommt er in mein Haus, schwenkt den Weihrauchkessel, wedelt mit dem Weihwasserbesen und segnet jeden Winkel. Ich bin ein gläubiger Mohammedaner! Wenn hier jemand ein Wunder ausräuchert, dann nur mein Imam Ibrahim Suleiman …«
    »Es geht schon los«, stöhnte Butejew und rang die Hände. »Gleich läuten links die Glocken und ruft rechts der Muezzin!« Dann wurde er hochrot im Gesicht, stellte sich auf die Zehenspitzen und brüllte mit aller Kraft: »Es gibt keine Wunder! Nicht in Bajkonur!«
    In diesem Augenblick klopfte es. Einer der Polizisten, er hieß Gubenko, kam ins Zimmer und meldete neuen Besuch: »Unten wartet Jefim Jefimowitsch Bisti. Behauptet, es gäbe eine Erklärung zu den Dingen …«
    »Er soll zum Teufel gehen!« schrie Butejew wie ein Gefolterter.
    Dr. Slobin sah den Ortssowjet erstaunt an. »Wer ist Bisti?«
    »Der Letzte, der mir hier noch fehlt.« Butejew wischte sich über das schweißnasse Gesicht. »Jefim Jefimowitsch ist ein Wunderheiler …«
    Man wunderte sich nicht, daß in einem Ort wie Bajkonur, dessen Bewohner sich als aufgeklärte und moderne Menschen betrachten, ein Mann wie Bisti bestehen kann. Blicken wir einmal in unsere eigene Umgebung! Na, was sehen wir da? Astrologen, Kartenleger, Hellseher, das Paradies versprechende Sekten, Handaufleger, Magnetiseure; Erwählte, die mit scharfen Blicken oder knisternden Instrumenten die Kranken behandeln; Computer, die einem sagen, was man essen darf und was nicht; Gesundheitstränke und Konditionsmaschinen, die Folterwerkzeugen gleichen – und alle haben ihre Anhänger und ihre Erfolge. Wieso also ist es so verwunderlich, daß auch in Bajkonur ein Mensch lebt, der kraft einer überirdischen Berufung seiner Umwelt mitteilt, er könne – nur ein Beispiel – einen chronischen Husten nach sechsmaligem Drücken der Brust heilen?
    Jefim Jefimowitschs Spezialität war die Galle.
    Man grinse jetzt nicht überheblich … unsere Welt ist die Welt der Spezialisten! Es gibt in den großen amerikanischen Hospitälern Chirurgen, die nur Hände operieren oder nur Ohrmuscheln, und keiner von ihnen käme auf den Gedanken, einen Fuß oder eine Nase anzugreifen. Und es gibt Artisten am Operationstisch, die innerhalb von sechseinhalb Minuten einen Blinddarm herausholen, eben, weil sie Spezialisten sind und nichts anderes tun, als sich um den Wurmfortsatz zu kümmern.
    Genosse Bisti hatte einen Ruf als großer Könner. Wen die Galle drückte, der ging außer zu Dr. Slobin auch zu Jefim Jefimowitsch. Dr. Slobin behandelte nach alter Art. Er drückte, horchte ab, röntgte und verschrieb bittere Medizin, und wenn es ganz schlimm war, etwa bei Gallensteinen, überwies er in die Klinik, wo man den Patienten den Bauch aufschnitt. Nicht so bei Bisti! Da saß man
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