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Das Wunder von Bajkonur

Das Wunder von Bajkonur

Titel: Das Wunder von Bajkonur
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in Bajkonur, anders? Schutzlos standen sie alle in einem Raum und in der Gegend, wo etwas strahlendes Unbekanntes vorübergeschwebt war.
    Butejew sträubten sich die Nackenhaare. Er wartete ungeduldig auf den Arzt.
    Da raste Dr. Slobin schon in einem Jeep der Miliz heran. Man hatte ihn mitten aus der Sprechstunde weggeholt, hatte ihn geradezu schamlos von einer Frau weggerissen, der er gerade den Bauch abtastete und die beim rüden Erscheinen der Polizisten laut aufkreischte.
    »Was ist los?« brüllte er sofort, als er in den Laden stürzte und Butejew und die erregten Männer sah. »Ein Massenmord? Vergiftete Lebensmittel? Ihre Anwesenheit, Alexej Igorowitsch …«
    Butejew faßte Dr. Slobin am Ärmel, zerrte ihn weg und flüsterte ihm zu: »Bleiben Sie ganz ruhig, Waleri Nikolajewitsch! Was passiert, wenn zum Beispiel eine große leuchtende Kugel aus Radium an einem vorbeischwebt?«
    »Ich rufe den nächsten Sanitätswagen …«
    »Aha!« stöhnte Butejew.
    »… und lasse Sie in eine Irrenanstalt bringen!« Dr. Slobin, ein langer, dürrer Mensch mit einem schmalen Tartarenbart, sah sich um. »Wo schwebt hier eine Radiumkugel?«
    »Sie war hier!« stammelte Butejew. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. »Kam durch die Tür herein und schwebte aus der Hintertür hinaus.«
    »Ohne anzuklopfen?« fragte Slobin voll Spott.
    »Es war eine Kugel. Größer als ein Fußball …«
    »Aus Radium?«
    »Das weiß man nicht. Sie leuchtete weißgolden. Hatte so etwas wie einen Heiligenschein um sich herum … und schwebte ganz langsam durch dieses Geschäft, in einem Meter Höhe. Im Garten stieg sie dann auf einen Meter fünfzig und flog über den Zaun weg in die Steppe …«
    Dr. Slobin sah Butejew ernst an, kratzte sich die Nase und sagte dann: »Machen Sie den Oberkörper frei, Alexej Igorowitsch.«
    »Ich bin kerngesund, Doktor«, stotterte Butejew. »Ich gebe nur wieder, was fünf Zeugen gesehen haben.«
    »Fünf? Ein Massenwahn also? Wo sind die Armen?«
    »In einem Zimmer über uns. Gehen Sie nicht hinein, Waleri Nikolajewitsch.«
    »Warum nicht …«
    »Strahlenschäden«, flüsterte Butejew heiser. »Wenn das eine Gemeinheit der Amerikaner war …«
    »Hier in Bajkonur? Im tiefsten Kasakstan?«
    »Die moderne Kriegführung kennt keine Entfernungen mehr, Doktor. Man muß auf alles gefaßt sein … aber hier wurden wir überrascht!«
    »Und wo ist diese strahlende Kugel jetzt?«
    »Weg. Rachim Victorowitsch sah sie noch, wie sie in die Steppe schwebte … da hörte er die Frauen schreien, und das erschien ihm wichtiger, als die Kugel zu verfolgen. Keiner hat sie mehr gesehen.«
    »Ein Flugkörper muß irgendwo niedergehen … nichts schwebt ewig!«
    »Irgendwo!« Butejew hob die Schulter. »Wo ist irgendwo, Doktor? Was sollen wir tun?«
    »Abwarten, Alexej Igorowitsch. Wenn Sie strahlenverseucht sind, rettet Sie niemand mehr. Das werden wir im Labor von Taschkent nachprüfen. Sollten Sie auf dem Bildschirm zu leuchten beginnen, wird man Sie in einer Bleikammer entladen … aber verrecken werden sie trotzdem. Und alle hier im Haus auch.«
    »Seien wir ein Vorbild an Tapferkeit«, sagte Butejew heiser. »Gehen wir hinauf zu den Zeugen der Katastrophe.«
    Das Verhör durch den Arzt dauerte zwei Stunden und brachte nichts Neues.
    Galina Victorowna bekam eine Beruhigungsinjektion und schämte sich nachher noch mehr ihrer nassen Hose. Emilia Petrowna wollte beschwören, daß die feurige Kugel nicht nur geschwebt, sondern sich dabei um sich selbst gedreht habe, ähnlich wie unsere Erde. Und Alla Iwanowna meinte, eine Art Luftleere im Raum verspürt zu haben, das Atmen sei schwer gewesen. Weronika schließlich war fasziniert von der Tatsache, daß die Kugel vor dem Korb mit den kandierten Feigen stehengeblieben und erst dann majestätisch weitergezogen war – vorbei an dem verblüfften Rachim Victorowitsch, der gerade einen Malpinsel zwischen seine Zähne geklemmt hatte.
    »Es roch nach heißem Eisen«, wiederholte er jetzt. »Genossen, mein Geruchssinn ist aktenkundig! Während meiner Ausbildung an der Kunstakademie von Taschkent war ich als Teeprüfer tätig. Da kommt es auf eine feine Nase und gute Zunge an. Es roch nach heißem Eisen, ich beschwöre es. Aber da war noch ein Geruch, den ich nicht erklären kann.«
    »Die Strahlen …« stammelte Butejew.
    »Blödsinn! Strahlen riechen nicht!« Dr. Slobin saß neben Galina Victorowna auf dem grünen Kunstledersofa und trocknete seine Hände mit einem Handtuch ab, das ihm
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