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Das Wunder von Bajkonur

Das Wunder von Bajkonur

Titel: Das Wunder von Bajkonur
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stehen, zitterte ein wenig …«
    »Ha! Sie zitterte?« rief Butejew. »Das ist wichtig!«
    »Warum?«
    »Es muß ein Lebewesen gewesen sein, wenn es vor kandierten Feigen zittert! Hatte es ein Maul?«
    »Es war eine Kugel, Genosse!«
    »Auch eine Kugel kann ein Maul haben. Denk an einen Kugelfisch!«
    »Kann ein Kugelfisch schweben und leuchten?«
    »Es war nur ein Beispiel, Weronika Alexandrowna!« Butejew seufzte. Die Dummheit des gemeinen Volkes ist oft kaum zu ertragen. »Wir müssen alles sekundengenau rekonstruieren, meine Liebe. Für alles, was auf unserer Erde passiert, gibt es eine Erklärung. Lenin sagt: ›Es gibt keine Geheimnisse mehr vor unserem revolutionären Geist!‹ Das soll unsere Richtschnur sein!« Butejew war glücklich, wieder einen Leninspruch zu haben, an den man sich klammern konnte. »Was hast du gedacht, als die Kugel hereinschwebte?«
    »Nichts. Ich war gelähmt vor Schreck!«
    »Was hast du gefühlt?«
    »Mir wurde eiskalt, Genosse Butejew. Stellen Sie sich vor, durch die offene Tür kommt ganz langsam eine feurige Kugel geflogen … Was hätten Sie gefühlt, wenn sie durch Ihr Dienstzimmer geschwebt wäre …«
    »Bei mir gibt es keine offenen Türen. Aber hier, das lädt ja geradezu ein. Vorne offen, hinten offen … sssst, da treibt einen der Durchzug vorwärts.« Butejew starrte wieder auf den Eingang. »Warum hat keiner von euch die Kugel aufgehalten?«
    »Wie denn, Genosse?«
    »Man hätte einen Sack darüberstülpen können. Oder das Ding in einer großen Kiste auffangen. Da hinten in der Ecke stehen Zinkwannen, die hätte man auf die Kugel werfen können.«
    »Von uns konnte sich keiner mehr rühren«, sagte Weronika Alexandrowna dumpf. »Auch Sie, Alexej Igorowitsch, hätten nichts getan. Sie können doch keine Zinkwanne über ein Wunder werfen!«
    »Wer redet hier von einem Wunder?« rief Butejew scharf. Das fehlt uns noch, dachte er erschrocken. In Bajkonur, in meinem Gebiet, ein Wunder! Das würden die Christen ebenso wie die Mohammedaner für sich beanspruchen, und beide würden sich darum streiten bis zum Schädeleinschlagen. »Es gibt keine Wunder!«
    »Aber es gibt eine feurige Kugel, die lautlos herumschwebt. Wo kommt sie her, wo geht sie hin, was ist sie? Erklären Sie mir das, Genosse.«
    Butejew seufzte, ging die Flugbahn des Objektes noch einmal ab und kümmerte sich dann um die anderen Zeuginnen. Es hatte endlich zu regnen begonnen, die Luft wurde klarer, die drückende Schwüle verschwand, man konnte wieder tief durchatmen. Es tat gut nach diesen merkwürdigen Tagen. Die Männer der armen Frauen waren nun auch gekommen. Man hatte sie auf ihren Arbeitsstellen alarmiert mit dem Ruf: »Deine Frau hat ein Wunder erlebt!« Nun standen sie im Hinterzimmer und brüllten mit der Miliz herum, die sie nicht zu ihren Weibern ließ. Die Frauen saßen oben in einem Zimmer, tranken Tee mit Kognak und warteten auf Dr. Slobin, den Arzt. Vor allem Galina Victorowna war mit ihren Nerven völlig im unreinen, lag auf einem mit grünem Kunstleder bezogenen Sofa und schämte sich die Seele weg, weil sie ihre Hose genässt hatte und nun keine Gelegenheit fand, das nasse Stück zu wechseln. Sie flüchtete sich in Zuckungen und Weinkrämpfe. Die Anwesenheit von Dr. Slobin war also dringend notwendig.
    »Keine Panik, liebe Brüder!« schrie Butejew die Ehemänner an, als sie auf ihn zustürzten. »Alles läßt sich klären! Man muß nur logisch und kühl vorgehen.«
    »Hat es diese feurige Kugel gegeben?« rief Saripow, der Dachdecker.
    »Ha!«
    »Schwebt durch den Laden, vorne rein, hinten raus!« schrie Lukaschow, der Anstreicher.
    »So hat man es gesehen.« Butejew streckte beide Arme hoch. »Genossen, wir kommen dahinter, was das war! Ich vermute eine neue Gemeinheit der Imperialisten. Eine Panikbombe der Amerikaner. Eine ferngelenkte radioaktive Kugel …«
    »Dann wären unsere Frauen verloren!« schrie Bassow dumpf. Er als Elektriker hatte Ahnung von den Dingen. »Dann sind sie jetzt radioaktiv verseucht … Und Rachim Victorowitsch auch. Wir alle … vielleicht der ganze Ort … Alle haben wir den Strahlentod in uns!«
    Butejew starrte Bassow an und schluckte krampfhaft. An eine solche Auswirkung hatte er gar nicht gedacht. Er erinnerte sich an die Bilder in der Illustrierten, wo man in den Labors in Strahlenanzügen arbeitete, und er dachte an die Bombe von Hiroshima, wo noch Jahre später die Menschen an strahlenverseuchtem Blut elend zugrunde gegangen waren.
    War es jetzt, hier
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