Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wunder von Bajkonur

Das Wunder von Bajkonur

Titel: Das Wunder von Bajkonur
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
des Wunders! Ein Blitz! Genossen, man muß sich an den Kopf fassen … Ein Kugelblitz, hihi! Ich bekomme Magenkrämpfe vor Lachen!«
    Butejew starrte Achlomow entgeistert an. Iwin schwieg klugerweise. Es war gut, daß niemand auf seine Glocke zu sprechen kam.
    »David Iwanowitsch …« sagte Butejew heiser. »Sie machen einen Witz …«
    »Durchaus nicht, es war ein Blitz!«
    »Eine Kugel …«
    »Natürlich.«
    »Schwebt lautlos durch die Ladentür hinein und durch die Hintertür hinaus …«
    »Der Durchzug, der durch die offenen Türen entstand, schrieb diesen Weg geradezu zwingend vor.«
    »Kommt herein und macht Halt vor dem Korb mit kandierten Feigen …«
    »Da war der Luftzug etwas schwächer.«
    »Und schwebt davon in den Garten. Weg ist er.«
    »Hat jemand einen Knall gehört?«
    »Es donnerte von allen Seiten«, stotterte Jakowlew.
    »Da kann man es überhört haben.«
    »Was?«
    »Ein Kugelblitz löst sich meist mit einer Detonation auf.«
    »Und ist dann unsichtbar?« höhnte Bisti.
    »So ist es. Er wird wieder elektrische Kraft, die sich mit der Erdoberfläche verbindet.« Achlomow machte eine Armbewegung. »Durch das Haus der Jakowlews ist kein Wunder geflogen, sondern ein Kugelblitz!«
    »Lüge!« schrie Bisti und hüpfte auf der Stelle. »Alles Lüge! Ich habe die kosmischen Strahlen gespürt, meine Patienten auch, fast alle sind gesünder geworden, fühlen sich wohl, Rheumatiker können tanzen und Asthmatiker können singen … es ist ein Wunder geschehen, nur der neidische Lehrer will es zerreden …«
    Achlomow blieb ruhig. Er zeigte auf das angefangene Bild und nickte dem sichtbar verwirrten Jakowlew zu. »So hast du es gesehen?«
    »Ja.«
    »Und so wurde es fotografiert!« Er schlug das dicke Buch auf und hielt es hoch. Deutlich war es zu sehen, eine ganze Seite voll: Ein Kugelblitz! Er sah nicht um einen einzigen Millimeter anders aus als das Wunder, das durch Jakowlews Laden geschwebt war. Eine Kugel mit einem weißgoldenen, bläulich schimmernden Strahlenkranz.
    »Ich habe schon immer keine Lehrer gemocht«, sagte Bisti dumpf und zog seinen Rock an. Vier Tage rann das Glück … seien wir damit zufrieden. Man kann den Strahlenbogen vielleicht doch noch auswerten. Man muß nur die richtigen Worte finden, um zu überzeugen. »Ein Kugelblitz! Ha! Ich lache! Aber glaubt es nur, ihr schrecklichen Realisten. Glaubt es nur. Nichts ist euch heilig. Selbst Wunder funktioniert ihr zu Kugelblitzen um. An solchem Denken wird die Welt zugrunde gehen!«
    Er sah über Achlomow hinweg, verließ das Haus und fuhr in die Stadt zurück. Der Schielende folgte ihm nach, nachdem er die Glocke abmontiert hatte. Rachim Victorowitsch gab seiner hölzernen Gebetsnische einen Tritt und zerstampfte sie dann, Weronika Alexandrowna begann mit einem großen Hausputz.
    Am Abend waren sie alle weg … die Gläubigen und die Wunderheiler, der Polizist Gubenko und Alexej Igorowitsch Butejew, dessen Gesicht wieder Farbe bekommen hatte und dessen Sorgenfalten sich wieder glätteten.
    Bajkonur war noch einmal gerettet worden. Woher soll ein normaler Bürger wissen, daß es so etwas wie einen Kugelblitz gibt? Genossen, Hand aufs Herz – muß man das wissen? Was verlangt man denn alles von der Allgemeinbildung?
    Noch spät in der Nacht saß der Lehrer bei den Jakowlews im Haus und tröstete die Armen.
    »Eins verstehe ich nicht«, sagte Rachim Victorowitsch mit verschleiertem Blick. »Wir haben im ›Strahlenbogen‹ siebzig Prozent geheilt. Und nichts, gar nichts soll sein von einem Wunder?«
    »Auch das gehört zu den Menschen, Rachim«, erwiderte Achlomow und trank ein Schlückchen Bucharawein. »Heißt es nicht: Der Glaube versetzt Berge? – Wie leicht ist es da, sich eine Krankheit wegzuglauben … Nur wenn sie später wiederkommt, ist der Jammer groß. – Es gibt keine Wunder!«
    »Aber es waren vier schöne Tage«, sagte Weronika Alexandrowna verträumt. »Alle Menschen waren anders. Es sollte viel mehr Kugelblitze geben …«
    In der zweiten Nacht nach der Aufhebung des Wunders von Bajkonur wurden den Jakowlews die Scheiben eingeschlagen. Sicherlich ein Racheakt der abziehenden Jahrmarktswagen. Und mit roter Ölfarbe schrieb jemand an die Hauswand:
    Abmanschtschik.
    Betrüger …
    In welch einer schrecklichen Zeit leben wir doch!
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher