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Das Wunder von Bajkonur

Das Wunder von Bajkonur

Titel: Das Wunder von Bajkonur
Autoren: Heinz G. Konsalik
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danach aus, als wollte er gegen das göttliche Zeichen opponieren und seine eigene Ansicht dagegen setzen.
    Typisch für ihn, dachte die Achlomowa wütend. Immer weiß er alles besser. Ist ja ein Lehrer, wie kann es da anders sein? Erst kommt der liebe Gott, dann der Lehrer, dann lange nichts mehr, und dann die ganze, dumme Menschheit.
    Sie seufzte und hoffte inbrünstig, daß niemand David Iwanowitsch erzählte, wie auch seine Frau einen Psalm unter der Glocke gesungen und bei Bisti eine Behandlung von zehn Bestrahlungen unterschrieben hatte.
    Achlomow brauchte nicht lange zu warten, als er sich bei Butejew anmeldete. Alexej Igorowitsch ließ ihn sofort zu sich kommen. Er war um Jahre gealtert, hatte tiefe Ringe unter den Augen und zitterte leicht mit den Händen. Nicht jedem ist es gegeben, mit Wundern zu leben und dennoch gelassen zu bleiben.
    »Endlich sind Sie zurück!« rief Butejew glücklich. Er zog Achlomow an sich, küßte ihn brüderlich und umarmte ihn. »Haben Sie von den Ereignissen in unserer Stadt gehört, Genosse?«
    »Darum bin ich sofort gekommen. Ich habe noch den Staub von Magnitogorsk an den Schuhen. Höre das alles von meiner Frau und sage zu mir: Trink schnell eine Tasse Tee, iß einen Butterkringel, und dann sofort zu Butejew, dem Armen. Muß er gelitten haben!«
    »Ich leide noch, mein bester David Iwanowitsch! Aus Bajkonur wird ein Wallfahrtsort. Was kann mir Ärgeres passieren? Dieser Massenwahn …«
    »Und alles wegen eines Gewitters …« sagte Achlomow geradezu angewidert.
    »Ein Gewitter?« Butejew starrte den Lehrer betroffen an. Sprach man über zwei ganz verschiedene Dinge? »Eine feurige Kugel schwebte durch Jakowlews Lebensmittelladen …«
    »Ich habe es vernommen. Was ist daran so aufregend?«
    Butejew schluckte, als müsse er sich von einem Kloß im Hals befreien, und setzte sich schwer auf die Schreibtischkante. »Ein solches Erlebnis erschüttert Sie nicht?«
    »Nein.«
    »Natürlich, natürlich! Als Lehrer haben Sie Übung im Umgang mit der Dummheit. Da bekommt man lederne Nerven! Verstehe – aber unsereiner … und das gemeine Volk … Sie sollten sich das ansehen, David Iwanowitsch: Buden, Karussells, ein richtiger Jahrmarkt … und mitten drin das Haus von Jakowlew und dazu Jefim Jefimowitsch, der die kosmischen Strahlungen ausnutzt und mit ihnen heilt …«
    »Was tut Bisti?« rief Achlomow erschüttert. »Er heilt?«
    »In vier Tagen hat er dreihundertneunundvierzig Kranke behandelt. Siebzig Prozent fühlen sich schon wohler, vor allem die Rheumakranken springen wieder herum wie junge Böcklein.«
    »Es ist nicht zu fassen«, stammelte Achlomow.
    »Und im Laden läutet die von selbst aufgehängte Glocke.«
    »Läutet von selbst?«
    »Das nicht. Iwin zieht am Seil!«
    »Oh, Himmel!« stöhnte Achlomow.
    »Das kann man sagen!« Butejew rollte mit den Augen. »Ich bin am Ende meiner Nerven, Genosse Lehrer. Wenn es einen Gott gibt – warum straft er mich denn so? Ausgerechnet mich? Ich habe ihm nie etwas getan, ich habe ihn nur verschwiegen.«
    »Ich will mir das ansehen«, sagte Achlomow heiser. Er klemmte das dicke Buch unter seine Achsel und zog das Kinn an. »Alexej Igorowitsch, es gibt keine Wunder. Alles ist erklärbar.«
    »Die strahlende Kugel nicht!« Butejew seufzte laut. »Daran zerbreche ich ja.«
    »Auch die Kugel!« Achlomow klopfte gegen das Buch. »Gehen wir zu Jakowlew …«
    Es war noch viel ärger, als Butejew es geschildert hatte.
    In der Nacht waren vier neue Jahrmarktswagen hinzugekommen. Jetzt konnte man sogar Elektro-Auto fahren, bemalten Lebkuchen kaufen und außer › Stenka Rasin‹ auch hundertmal am Tag die ›Kosakenpatrouille‹ hören. Iwin hatte zum Glockenläuten einen Helfer von der Feuerwehr geholt, und man arbeitete jetzt in zwei Schichten; Bisti hatte in einem Schnellkurs den guten Rachim Victorowitsch angelernt, und nun bereitete Jakowlew die Patienten für den ›Strahlenbogen‹ vor, indem er jedem einen nassen Handtuchkragen um den Hals legte, damit ›der elektrische Fluß besser zirkuliert‹. Hilfe bekam Bisti dabei von dem Elektriker Bassow, der bestätigte, daß Wasser ein guter elektrischer Leiter sei. Von da ab gab es keine Bedenken mehr.
    Weronika hatte am Hinterausgang einen Stand mit gebratenen Fleischkugeln aufgebaut, die sie nachts herstellte. Jeder, der aus Bistis Behandlung kam, kaufte sich einen Fleischkloß, vor allem deswegen, weil der Kloß – wie Bisti erklärte – ja auch im Strahlenfeld liege und deshalb
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