Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Wrack

Titel: Das Wrack
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
können wir da drüben einen verdammt guten Fang tun; macht nur zu, dass wir hinüberkommen und noch Tageslicht zum Nachsuchen behalten.«
    Eine weitere Mahnung war nicht nötig, und die Riemen bogen sich ordentlich unter dem Gewicht der dagegenpressenden Matrosen, die nur dann und wann den Kopf zurückbogen, um zu sehen, welchen Fortgang sie machten und wie rasch sie sich der erhofften Beute näherten.
    »Mate«, sagte da einer der Leute, der Bootsmann, der das vorderste Ruder führte, »hol mich dieser oder jener, aber ich glaube die Kombüse [Kombüse, die auf Deck stehende Schiffsküche.] raucht!«
    Der Mate, der ebenfalls gerade in diesem Augenblick scharf hinübergesehen hatte, griff rasch wieder sein Glas auf und sah hindurch – aber nur für einen Moment.
    »Bless my soul«, murmelte er leise vor sich hin, »ob es mir nicht eben gerade auch so vorkam, und bei Gott, da ist Rauch.«
    »Nicht wahr, Mate?«
    »Bei allem was lebt – aber kein menschliches Wesen war vorher zu sehen, und wenn noch jemand an Bord wäre, müssten sie doch unser Boot bemerkt und Zeichen gegeben haben.«
    »Am Ende haben die Leute, ehe sie das Schiff verließen, Feuer angelegt, Sir«, bemerkte einer der Leute, »und es ist nicht ordentlich angegangen und glimmt nur noch.«
    Der Mate schüttelte den Kopf. Wie der Bootsmann vorher ganz richtig bemerkt hatte, stieg der Rauch genau von der Stelle auf, wo sich die Kombüse befand, und wenn sie wirklich Feuer angelegt hätten, wäre das doch jedenfalls in der Kajüte geschehen. Aber es ließ sich vor der Hand weiter nichts an der Sache tun; sie kamen dem Schiff ja auch mit jedem Ruderschlag näher, und die nächsten Minuten mussten ihnen doch das Rätsel lösen.
    Neugierig schauten sich jetzt auch die Leute fortwährend beim Rudern um, ob sie nicht irgendwo über die Schanzkleidung einen menschlichen Kopf erkennen könnten, aber nichts Derartiges ließ sich blicken, und sie mussten nun schon selber an Bord gehen, um sich zu überzeugen.
    Als sie den Platz erreichten, fanden sie aber, dass es gar nicht so leicht sei, bis dicht an das Schiff hinanzukommen, wie es von weitem den Anschein gehabt, denn es saß förmlich in den Klippen drin und musste jedenfalls von einer hohen Woge in ein in den Korallen befindliches Loch hineingehoben worden sein, in dem es jetzt fest und sicher eingekeilt stak. Dort schlug auch die Brandung noch von außen so dicht an die Riffe hinan, dass jeder Versuch vergebens gewesen wäre, da hineinzulaufen, hätten sie nicht dicht unterhalb einen kleinen und schmalen Kanal gefunden, der tieferes Wasser verriet.
    Selbst hier blieb die Einfahrt immer noch gewagt, denn die Spritzwellen warfen ihnen das Wasser von beiden Seiten über den Rand des Bootes. Die Seeleute zögerten aber auch keinen Moment, den Pass zu forcieren, ja nicht ein Wort wurde auch nur darüber gesprochen. Der Mate steuerte, die Leute, die schon von selber wussten, was sie zu tun hatten, legten sich mit allen Kräften in die Ruder, und wenige Minuten später scheuerte der Rand des Langboots oder der Launch gegen das gestrandete Schiff selber an, das tief genug im Wasser lag, um dessen Rüsteisen vom Boot aus bequem mit der Hand zu erreichen. Es hatte dadurch auch nicht die geringste Schwierigkeit, an Bord zu klettern. Vor allen Dingen machten sie ihr eigenes Fahrzeug mit der Bowleine fest, und dann klommen die Leute wie die Katzen an den Eisen empor. Es war ordentlich, als ob jeder der Erste sein wollte, der das verlassene und doch, wie es schien, bewohnte Schiff betrat.

4. Der Einsiedler
    Trotzdem war es ein unheimliches Gefühl, mit dem alle, ohne Ausnahme, das Deck des Fremden erklommen. Sie wussten, dass sie fremdes Eigentum betraten, und noch dazu einen Platz, der vielleicht erst vor kurzer Zeit der Schauplatz furchtbarer Not und Verzweiflung gewesen – ja, wer sagte ihnen, dass nicht jetzt noch Tod und Verderben dort oben hause. Denn war es nicht schon öfter vorgekommen, dass Pest oder Cholera an Bord eines Schiffes ausgebrochen und dieses dann, mit keinem gesunden und kräftigen Menschen mehr, es zu regieren, irgendwo auf den Strand gesetzt war, während die Ersten, die es betraten, von der unseligen Krankheit erfasst wurden und elend starben? Wenn nun auch hier etwas Ähnliches der Fall gewesen? Und fast unwillkürlich warf jeder, wie er nur den Kopf über die Schanzkleidung hob, den Blick unruhig und scheu über Deck, um zu sehen, ob keine Leichen dort umhergestreut wären.
    Aber nichts
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher