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Das Wrack

Titel: Das Wrack
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Wasser, und er wollte sich doch nicht leichtsinnig der Gefahr aussetzen, sein Schiff, jetzt wo er die schwierigste Stelle passiert hatte, nur deshalb auf den Strand oder auf eine Klippe zu setzen, um noch an dem Abend ein paar Meilen zu machen, denn mit einbrechender Nacht musste er doch liegen bleiben.
    Der Befehl wurde gegeben; der Anker war schon von dem Augenblick an, wo sie die Klippen in Sicht bekamen, klar gemacht, die Leute standen jeder auf seinem Posten, und wie der Kapitän nun einen Fleck erreicht hatte, wo er wusste, dass er die Nacht ruhig und ungefährdet liegen konnte, rasselte der Anker in die Tiefe, die Kette war fest um das Spill geschlagen, und kaum eine halbe Minute später, während die Segel ebenfalls gelöst wurden und ausflappten, schwang das Schiff herum und lag still in der glatten Flut.
    Jetzt kam noch eine Viertelstunde geschäftige Zeit für die Leute, um erst alle Segel festzumachen, denn diese Vorsicht durfte nicht versäumt werden, und dann blieb nichts übrig, als die abgeworfenen Taue wieder aufzukoilen und das Schiff zu reinigen.
    Es war damit etwa ein Viertel auf fünf Uhr geworden, und der Obersteuermann besonders hatte selber aus Leibeskräften mitgearbeitet, um alles so rasch als möglich fertig zu bringen, den Leuten auch unter der Hand zu verstehen gegeben, dass sie vielleicht heut Abend noch Bergelohn verdienen könnten, wenn sie sich tüchtig tummelten, und das half.
    Es gibt nichts auf der Welt, was für einen Matrosen größeres Interesse hat, als solch ein Fall, wo er ein verlassenes Schiff besuchen kann, in welchem er, wenn er sich auch sagen muss, dass die eigenen Leute doch jedenfalls schon das Beste und Wertvollste mit fortgenommen haben, doch noch immer vergessene kostbare Dinge, jedenfalls aber Wein und andere Delikatessen zu finden erwartet, und man kann sie gewiss zu keiner Arbeit williger bekommen, als gerade zu der. Die Leute selber waren denn auch wirklich Feuer und Flamme dafür und wären am liebsten alle mitgegangen, als der Mate endlich wieder zum Kapitän trat und sagte:
    »Nun, Sir, wie ist es? Wollen Sie mich einmal hinüberschicken zum Wrack?«
    »Gern nicht, Mr. Brown«, sagte der Kapitän Wilkie, indem er einen Blick nach dem noch deutlich sichtbaren Fahrzeug warf. »Wir sind so nicht übermäßig stark an Mannschaft, und der Henker weiß, was in der Zeit vorfallen kann.«
    »Nun, das Wetter ist für die Nacht sicher, Kapitän«, meinte der Mate, »und von den australischen Schwarzen haben wir hier draußen nichts zu fürchten. Die Küste ist ja noch nicht einmal in Sicht.«
    »Da vorn ist Land.«
    »Ja, ein paar kleine dürre, mit Büschen bewachsene Inseln, ohne einen Tropfen frisches Wasser; dort drüben hält sich kein Eingeborener auf und wir könnten hier ein Jahr liegen, ohne dass sie ein Wort davon erführen. Wären die Burschen in der Nähe, dann dürften Sie sich auch fest darauf verlassen, Kapitän Wilkie, dass sie das Wrack da drüben längst gefunden und geplündert hätten, denn die nackten Halunken können alles brauchen.«
    »Gut denn, Mr. Brown«, lächelte der Kapitän, dem der Eifer nicht entgehen konnte, mit dem sein Offizier auf die Revision des verlassenen Schiffes brannte. »So nehmen Sie meinetwegen ein paar Mann und die Jolle und fahren Sie einmal hinüber.«
    »Die Jolle, Kapitän? In die bringen wir aber nichts hinein.
    »Ist es der Mühe wert, so hängen Sie ein Licht aus, Sie können sich ja eine Laterne mitnehmen, und wir schicken dann die Launch hinüber. Ich glaube aber kaum, dass Sie, außer den Segeln, noch viel Wertvolles darauf finden, Sie werden sehen.«
    »Und wenn wir nun die Ketten mitnehmen, Kapitän?«
    »Bah, das hält uns zu lange auf. Ich werde doch hier nicht sollen einen ganzen Tag liegen bleiben, um eine alte Ankerkette einzuladen, wegen der wir vielleicht ein paarmal fahren müssen, denn ich glaube nicht, dass Sie bis dorthin überall tief Wasser finden.«
    »Wir sind doch hereingekommen.«
    »Wollen Sie denn außen herumfahren? Das ist zu gefährlich.«
    »Bei der See?«, lachte der Steuermann. »Von innen kommen wir nicht dazu; ich habe mir das Terrain schon von oben aus genau mit dem Glas angesehen. Es liegen überall Klippenstriche im Weg, die uns stundenlang aufhielten, um darüber oder dazwischen hinzukommen.«
    »Nun, machen Sie, was Sie wollen«, sagte der Kapitän, sich abdrehend. »Wenn Sie meinem Rat folgen wollen, so versuchen Sie's aber erst einmal mit der Jolle. Ich kann auch überdies
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