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Das Wrack

Titel: Das Wrack
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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zu retten, denn auf einer dicht dabei liegenden kleinen Insel ließen sich jetzt mehrere rasch aufgeführte Hütten erkennen, die zur Genüge bezeugten, dass sich die Schiffbrüchigen dort wenigstens eine Nacht aufgehalten. Hinten am Heck hing dabei noch die kleine Jolle, alle übrigen Boote fehlten aber, und sehr wahrscheinlich hatten sich die Leute damit in die Riffe hineinbegeben, da sie in dem ruhigen Wasser derselben ganz leicht Neu-Guinea oder selbst die nächsten Inseln des Ostindischen Archipels erreichen konnten. Außerdem war es auch möglich, dass sie schon im Indischen Ozean ein Schiff antreffen mochten.
    Das Verunglücken des Fahrzeuges konnte aber ebenso gut vor wenigen Tagen, wie vor Wochen und Monaten geschehen sein – von hier aus ließ sich das keinenfalls beurteilen, und wenn nicht einmal ausnahmsweise in dieser Breite ein tüchtiger Sturm losbrach, so war es recht gut möglich, dass das so eingekeilte Schiff dort noch jahrelang zwischen den Klippen eingepresst sitzen bleiben konnte.
    »Wissen Sie wohl, Kapitän«, brach da der Steuermann endlich das Schweigen, »dass es jammerschade ist, an dem Wrack da drüben so ruhig vorbeizufahren? – Liegt gewiss noch eine Masse von Dingen an Bord, die man mit Vorteil bergen könnte.«
    »Im Wrack, Mr. Brown?«, erwiderte der Kapitän, ohne aber einen Blick dort hinüberzuwerfen, denn er war noch emsig bemüht, das jetzt im Innern der Einfahrt sichtbar werdende Terrain mit seinem Glas abzusuchen. »wohl möglich – können uns aber nicht damit aufhalten.«
    »Wenn wir nun ein Boot hinüberschickten?«
    »Ich will Gott danken, wenn ich mit meinen Booten innerhalb der Riffe bin, Mr. Brown. Der Platz hier gefällt mir gar nicht, er sieht hässlich genug aus, und schliefe uns der Wind jetzt ein – und es weht kaum noch eine Mütze voll –, so brauchen wir nachher kein Boot auszusetzen, um ein Wrack zu besuchen.«
    »Bah, der Wind hält«, sagte der Mate, der einen Blick nach Osten hinübergeworfen hatte. »Ich glaube eher, dass wir gegen Abend wieder eine steife Brise bekommen, denn die Wolkenstreifen dahinten sehen mir gerade danach aus.«
    »Möglich – aber kein Mensch kann's vorher sagen.«
    »Meine Hühneraugen tun mir auch wieder weh; das bedeutet immer Wind.«
    »Fall off a little«, unterbrach der Kapitän seinen Offizier durch den hinabgerufenen Befehl.
    »Off it is, Sir«, lautete die Gegenantwort.
    »Steady!«
    »Steady it is.«
    Die Brigg hatte den Bug ein klein wenig geneigt, und sie konnten jetzt voll in den Kanal einsehen.
    »Ich will Ihnen etwas sagen, Kapitän«, nahm da der Steuermann seinen Wunsch wieder auf. »Sowie wir erst einmal darin sind, können wir doch heut Abend nichts mehr machen, sondern müssen vor Anker gehen.«
    »Ist aber gar nicht meine Absicht, Sir«, erwiderte sein Vorgesetzter. »Ich gedenke noch ein tüchtiges Stück hineinzusegeln.«
    »Geht aber nicht an, Sir.«
    »Geht nicht an?«
    »Nein, Sir – die Sonne steht schon zu tief, und sowie wir hineinkommen, hilft uns der Kompass nichts mehr; wir müssen nur nach dem steuern, was wir sehen, und da unser Kurs gerade nach Westen liegt, so fallen uns die Strahlen der tief stehenden Sonne gerade so aufs Wasser, dass sich die Klippe oder Untiefe darin gar nicht mehr erkennen lässt. Alle Schiffe, die von hier nach Indien durch die Torresstraße gehen, müssen bei klarem Himmel spätestens um vier Uhr abends ihren Ankergrund halten, ebenso wie die, welche von dort herüberkommen, vor morgens zehn Uhr nicht im Stande sind, unterwegs zu gehen.«
    »Das hält uns aber schmählich auf.«
    »Lässt sich aber nicht ändern, wenn Sie nicht Ihr Schiff riskieren wollen. Von vier Uhr nachmittags an blitzt der Spiegel der See und zeigt keinen grünen Fleck mehr. Wie wär's, Kapitän, wenn Sie dann mich und ein paar von den Leuten, sobald wir nachher vor Anker sind, hinüberließen? Das Wrack liegt kaum zwei englische Meilen von dort entfernt und wir laufen in kaum einer Stunde hinüber. 's ist, Gott straf mich, jammerschade, das liebe Gut dort drüben verfaulen zu lassen, wenn man sich's so bequem holen kann, und die Leute selber kriegen guten Willen, wenn sie Aussicht auf Bergelohn haben.«
    »Wollen sehen, Mr. Brown – wollen sehen«, gab der Kapitän zur Antwort, der jetzt keinen andern Gedanken hatte, als sein Schiff. »Vor allen Dingen müssen wir erst einmal drin sein, und wenn dann das Schiff sicher vor Anker liegt und noch Zeit und weiter nichts zu tun ist, so hab ich
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