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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus
Autoren: Judith Lennox
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Schneiderrechnungen, Maias Schulgeld und sogar die Fleischerrechnungen nicht mehr bezahlen.«
    Maia sprang auf, aber ihre Mutter sah sie mit einem funkelnden Blick an und zischte: »Wir trinken Tee, Maia. Vergiß nicht deine Manieren.«
    Maia zitterten die Knie. Sie sank wieder in ihren Sessel.
    Eines der Papiere fiel von Lydias Schoß und flatterte über den Boden. Maia starrte es fasziniert an. Es war ein Bankauszug. Die Zahlen am Ende der Reihen, alle in Rot, machten ihr angst.
    Lydia sagte wütend: »Du weißt genau, daß ich mit Zahlen nichts anfangen kann.«
    Aber ich, dachte Maia. Jedes Jahr die Beste in Mathematik. Wenn sie die Papiere an sich genommen und durchgesehen hätte, dann hätte sie genau gewußt, was sie zu bedeuten hatten. Sie verhießen Unsicherheit und Entbehrung, das Ende all ihrer Zukunftspläne.
    »Ich kann selbst nicht mit Zahlen umgehen, Lydia. Sonst wäre es nie soweit gekommen.«
    Einen Moment lang tat Maia ihre Mutter beinahe leid. Jordan Reads Stimme klang gelassen, beinahe erheitert, als hätte er eine Partie Bridge verloren oder wäre beim Cricket im Aus gelandet.
    »Die Bank hat mir heute geschrieben und alles bestens erklärt. Wir sind erledigt. Wir sitzen in der Patsche.«
    Weiß vor Wut starrte Lydia ihn an. »In der Patsche  …«
    »In der Patsche – in der Klemme – wir sind pleite. Ja, mein Kind. Nenn es, wie du willst.«
    Lydia entgegnete leise: »Und was gedenkst du gegen diese Patsche zu unternehmen, Jordan?«
    »Tja, wenn ich das wüßte! Auf der Gemeindewiese ein Zelt aufschlagen? Oder ich könnte mir ja vielleicht eine Kugel in den Kopf jagen?«
    Maia krampfte ihre Hände ineinander, damit sie nicht zitterten. Lydia hatte sich ihre dritte Tasse Tee noch nicht eingeschenkt. In ihrer Stimme schwang nun echte Furcht, als sie flüsterte: »Wir verlieren das Haus?«
    Jordan nickte. »Es sind schon zwei Hypotheken darauf, und eine dritte räumt mir die Bank nicht ein.«
    Zum erstenmal mischte Maia sich ein. »Aber deine Anlagen, Daddy. Deine Aktien und Obligationen …?«
    Jordan zwirbelte die Enden seines Schnäuzers. »Ich habe die falschen Papiere gekauft, Liebchen. Hatte nie einen Riecher für so etwas. Die Bergwerke haben durch den Streik hohe Verluste gemacht – und wer will heute noch teures Porzellan und Kristall, wenn er fast das gleiche für den halben Preis bei Woolworth bekommen kann.«
    »Porzellan? Bergwerke? Was hat denn das mit uns zu tun?« kreischte Lydia. »Willst du mir sagen, daß man mich aus meinem eigenen Haus hinauswerfen wird, Jordan?«
    »Darauf läuft es hinaus. Aber wir werden sicher eine kleine Mietwohnung finden.«
    Lydias Gesicht war verzerrt und häßlich. »Lieber sterbe ich!«
    Einen Moment lang starrten ihre Eltern einander wortlos an. Maia blickte weg, sie wollte den Ausdruck in ihren Augen nicht sehen. Aber sie konnte ihre Ohren nicht verschließen.
    »Wenn du im Ernst glaubst, ich werde mein eigenes Haus aufgeben, um in irgendeinem schmutzigen Slum –«
    »Es ist nicht dein Haus, Lydia. Es gehört der Bank. Sogar ich verstehe das.«
    »Du bist ein Narr, Jordan, ein elender Narr!«
    »Das habe ich nie bestritten. Aber wenigstens bin ich kein Ehebrecher.«
    Sie schnappte nach Luft. »Wie kannst du es wagen –«
    »Ich mag in Geldangelegenheiten ein Narr sein, Lydia, aber die Art von Narr bin ich nicht.«
    »Lionel ist ein Mann .«
    Sie hatten Maias Anwesenheit völlig vergessen, brauchten sie nicht mehr als Publikum. Maia stand aus ihrem Sessel auf und ging aus dem Zimmer, die Treppe hinauf.
    Und dennoch bestand selbst jetzt dieses andere Leben, dieses zweite Leben, weiter. Ihr weißes Chiffonkleid lag auf dem Bett ausgebreitet, erinnerte daran, daß sie heute abend zum Essen Gäste hatten. Obwohl ihr kalt war und ein wenig übel, machte Maia Toilette, kleidete sich um und bürstete ihr Haar. Sie war gespannt, ob an diesem Abend endlich die Fassade eingerissen werden würde. Ob die zwei Leben zu einem verschmelzen würden. Sie stellte sich vor, wie sie zu dem Herrn, der neben ihr saß, sagte: »Mutter hat ein Verhältnis mit dem Vorsitzenden des Tennisklubs, und Daddy ist bankrott.« Würde dann irgend etwas passieren? Oder würde Sally einfach weiter die Charlotte russe servieren und der Gast eine höfliche Erwiderung murmeln? Maia begann zu lachen und mußte plötzlich die Fäuste auf ihre Augen drücken, um nicht zu weinen. Als sie in den Spiegel blickte, sah sie, daß ihre Nase nur ein klein wenig gerötet war; sie würde etwas
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