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Das weiße Krokodil

Das weiße Krokodil

Titel: Das weiße Krokodil
Autoren: C. C. Bergius
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mir gnädig! Wenn ich dich reden höre, sehe ich das Glitzern der Sonne im blauen Wasser des Kuku-nor.«
    »An dem wurde ich geboren!« rief der junge Chinese begeistert.
    »Und ich lebte dort über ein Jahr!«
    »Wo?«
    »Im Kloster Kumbum!«
    »Sim!« rief der Chinese aufgeregt an seine Frau gewandt, die noch immer im Türrahmen stand. »Komm und begrüße den ehrwürdigen Vater. Er war in meiner Heimat und hat keine zehn Meilen von unserem Haus entfernt gewohnt! Ist das nicht eine Fügung des Himmels?« Überschwenglich umarmte er den greisen Tie-tie ein zweites Mal. »Du mußt selbstverständlich bei uns bleiben und uns erzählen, was dich nach Tsing-hai und nun nach Malaya getrieben hat.«
    »Diesem Wunsch entspreche ich nur zu gerne«, erwiderte Tie-tie beglückt. »Zumal es zweifellos der ewige Himmel war, der mich hierherführte. Warum, das wissen wir nicht. Da aber in der Welt nichts grundlos geschieht, werden wir es vielleicht noch erfahren.«
    Wenn es Tie-tie als lamaitischem Mönch auch nicht gestattet war, nach der Mittagsstunde noch Nahrung zu sich zu nehmen, so glaubte er es an diesem Tage doch verantworten zu können, die Schale Reis zu leeren, die ihm die an eine Jadeschnitzerei erinnernde kleine Frau des Chinesen Yen-sun mit einer anmutigen Geste reichte, nachdem er sich erfrischt und im bescheidenen Heim des jungen Paares auf einer einfachen Holzbank Platz genommen hatte. Seit einer Woche schon hatte er nichts Warmes mehr zu essen bekommen, und er war gewiß, daß der Allmächtige angesichts der besonderen Umstände nicht zürnend, sondern verständnisvoll auf ihn herabsehen würde. Dies um so mehr, als das Bild der ihn umgebenden Familie überaus erfreulich war. Yen-sun, der sich neben ihn gesetzt hatte, machte den Eindruck eines rechtschaffenen Mannes, und seiner im Hintergrund des Raumes hantierenden Frau konnte man unschwer ansehen, daß sie eine liebevolle Mutter und prächtige Lebensgefährtin war. Ganz zu schweigen von ihren Kindern, die mit rosigen Popöchen wie nicht fertig angezogene Puppen auf dem linoleumbelegten Boden saßen und gebannt zu dem fremden Mann in der gelben Kutte emporblickten.
    Während Tie-tie den gebotenen Reis mit Bedacht aß, erzählte ihm Yen-sun, daß er vor Jahren aus China ausgewandert sei, um den beständigen Überfällen der Militärbanden zu entgehen, die raubend und plündernd die Lande durchzogen, Frauen vergewaltigten und jeden jungen Burschen erschlugen, der sich weigerte, in ihre Dienste zu treten. Zunächst sei es ihm freilich sehr schlecht ergangen, aber dann habe er das Glück gehabt, an den unterhalb des Hauses vorüberfließenden Muda zu kommen und den krank daniederliegenden Fährmann und Fischer Chang kennenzulernen, dem er bis zu dessen Tode die Arbeit abgenommen habe.
    »Vermachte er dir dieses Haus?« erkundigte sich Tie-tie, als der junge Chinese schwieg.
    »Ja«, antwortete Yen-sun. »Und dazu noch die Fähre und einen erstklassigen Fischkutter. Er hatte keine Nachkommen.«
    »Dann war es Bestimmung, daß du von China hierherkamst.«
    »Das habe ich auch schon oft gedacht. Besonders seit dem Tage, an dem Sim meine Frau wurde.«
    »Wo hast du sie kennengelernt?«
    »Auf meiner Fähre; acht Tage nachdem Chang gestorben war. Sie wollte nach Sungei Patani, um sich eine Stellung zu suchen.«
    »Und da hast du sie gleich festgehalten?«
    Yen-sun lachte. »So ungefähr. Es war bei uns Liebe auf den ersten Blick.«
    Tie-tie nickte. »Was du als Beweis dafür ansehen kannst, daß alles auf Erden vorherbestimmt ist. Wenn ich nur schon wüßte, weshalb wir uns treffen mußten. Weißt du womöglich ein von der Welt abgewandtes Plätzchen, an dem ich ungestört leben könnte?«
    Der junge Chinese warf ihm einen fragenden Blick zu. »Du willst in die Einsamkeit gehen?«
    »Ja.«
    »Aber warum denn?«
    »Das, mein Sohn, ist eine lange Geschichte, an deren Ende ein Gelübde steht.«
    Yen-sun rieb sich das Kinn. »Ich kenne einen Ort, der für einen Einsiedler wie geschaffen wäre. Gar nicht weit von uns entfernt, an einem Seitenarm des Muda, befindet sich eine dreistöckige Pagode, um die sich niemand mehr kümmert. Sie ist freilich dementsprechend verwahrlost, aber…«
    »Was redest du da!« unterbrach ihn seine Frau aufgebracht. »Der ehrwürdige Vater darf sich keinesfalls in der Sandelholz-Pagode niederlassen!«
    »Sandelholz-Pagode?« wiederholte Tie-tie beinahe träumerisch und legte seine Eßstäbchen behutsam auf die Reisschale.
    »Sie ist natürlich
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