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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Mögliche drin sein, von Miniröcken aus den Achtzigern bis zu Reliquien vom Heiligen Kreuz. Komisch, aber es scheint immer etwas Interessanteres zu geben als Auspacken und Einräumen …«
    Er legte einen Arm über die Sitzlehne und drehte sich zu ihr um. »Sie müssen sich an eines der Damenkränzchen wenden, die nehmen Ihnen dann die Arbeit ab. Hätten in null Komma nichts alles auf Hochglanz poliert.«
    »O ja«, erwiderte sie. »Davon bin ich überzeugt. Aber wissen Sie, wenn man sein Haus gleich anfangs auf Vordermann bringt, dann denken die Leute später bei jedem Besuch: ›Lieber Gott! Das hat sie aber verschlampen lassen!‹« Mit einem leichten Lächeln sah sie über die Auffahrt zu ihrem Haus. »Ach was! Das ist nur dieser Kummer, wenn man versetzt wird. Eine neue Stadt, lauter neue Gesichter. Da wird es mitunter …«
    »Einsam.«
    »Genau.«
    Sie verharrten in stummem Einvernehmen, ohne Eile, ihr Zusammensein zu beenden.
    Das Funkgerät quakte. »Zehn-fünfzig an Zehn-siebenundfünfzig. Unfall auf der Route Thirty-five, bei Straßenmeile fünfzehn.«
    Russ schaltete das Mikrofon ein. »Zehn-siebenundfünfzig an Zehn-fünfzig. Verstanden. Route Thirty-five, Straßenmeile fünfzehn. Bin schon unterwegs.« Er breitete bedauernd die Arme aus. »Die Pflicht ruft. Gute Nacht, Reverend Fergusson.«
    »Oh, ich bitte Sie, nennen Sie mich Clare!« Sie öffnete die Beifahrertür, glitt vom Sitz und beugte sich noch einmal hinunter, um Russ anzusehen.
    »Clare«, sagte er. »Und Sie dürfen mich Chief nennen.« Sie lachte laut. »Nein, nein. Nennen Sie mich Russ. Schließlich sind wir nächsten Freitag ja Partner …«
    Sie nickte. »Ich werde da sein, Russ. Gute Nacht für heute.« Sie schlug die Tür zu. Er wartete, bis sie ins Pfarrhaus gegangen war. Nicht abgeschlossen. Er merkte sich schon einmal für nächsten Freitag, dass er sie deshalb ins Gebet nehmen müsste. Dann stieß er aus der Einfahrt zurück, schaltete die Scheinwerfer ein und schmunzelte aus unerfindlichen Gründen vor sich hin, während er zur Route Thirty-five unterwegs war.

    Das Mädchen drehte den Schlüssel und entriegelte die Tür. Es war kalt in der Küche, aber das Mädchen fror sowieso schon die ganze Nacht erbärmlich. Man hatte ihm im Flur ein Licht angelassen. Sie ging zur Treppe und versuchte, sich zu erinnern, was sie als Nächstes tun sollte. Konzentrier dich. Oben, im ersten Stock. Sie hob ihre Tasche mit dem Übernachtungszeug hoch und schnappte nach Luft, als ihr ein stechender Schmerz durch den Unterleib fuhr. Ihr Bauch verkrampfte sich wie unter einem Faustschlag. Kein Grund zur Besorgnis. Laut Buch war das ganz normal. Es sei ganz normal, noch mehrere Tage Krämpfe zu haben.
    Das Mädchen hob seine Tasche erneut hoch und stapfte mühsam die Holztreppe hinauf. Oben im Gang starrte sie stumpfsinnig die verschlossenen Türen an. Alles hier kam ihr fremd vor. Ihr tat die Brust weh, und verschwitzt war sie auch. Sie drückte fest die Augen zu, atmete tief durch, und als sie wieder hinschaute, sah sie ihr eigenes Schlafzimmer.
    Drinnen ließ sie ihr Gepäck fallen und sackte auf das Bett. Die Sprungfedern knarrten laut. »Hm«, machte es von der anderen Seite des Zimmers. »Bist du das, Katie? Gott, es ist schon spät.«
    »Ja, Emily«, flüsterte das Mädchen. »Ich bin’s.« Von der anderen Straßenseite hörte sie einen Hund. Er bellte und bellte. In manchen Nächten ging das eine Stunde oder mehr: ein frustrierter Schäferhund, in einem engen Kreis aus blanker Erde angekettet.
    »Der verfluchte Köter«, stöhnte Emily. »Warum tun die ihm nicht den Gefallen und lassen ihn einfach frei, draußen auf dem Land?«
    »Daran liegt es nicht … daran liegt es nicht …«, sagte Katie, schluckte hörbar und brach in Tränen aus.
    »Katie-Schatz, was hast du denn?« Emily knipste ein winziges Nachttischlämpchen an. »O Liebes, sag mir, was los ist.«
    Katie schüttelte den Kopf und weinte noch heftiger. Emily kam herüber, setzte sich zu ihr aufs Bett und drückte sie fest an sich. Mit offenem Mund schluchzend, lehnte sich Katie an ihre Schulter, während in der kalten Nachtluft der Hund bellte und heulte.

3
    D ie Standuhr im Sitzungssaal von St. Alban’s schlug langsam und feierlich die zwölfte Stunde. Gestiftet von einem dankbaren Pfarreimitglied, das als Bürgerkriegsgewinnler in den Südstaaten ein Vermögen gemacht und sich im Osten seines Heimatstaates New York zur Ruhe gesetzt hatte, beherrschte sie einen Ehrenplatz
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