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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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okay. Tut mir leid.« Er legte den Gang ein und manövrierte seinen Streifenwagen aus dem Krankenhausparkplatz. Montags gegen Mitternacht war kaum Verkehr auf der sonst viel befahrenen Burgoyne Avenue.
    Reverend Fergusson rutschte auf ihrem Sitz herum und stöhnte kurz, als sie auf eine besonders kalte Stelle traf. »Vorhin sagten Sie, Sie wären hier geboren und großgeworden …«
    »Oh, ja«, seufzte er. »Hätte wahrscheinlich einen Job in der Mühle gekriegt und wäre nie aus dieser Stadt rausgekommen. Aber ich ging neunundsechzig von der High School ab, da hatte ich von vornherein die Arschkarte. Ehe ich mich’s versah, hieß es ›Ade, Staat New York‹ und ›Hallo, Südostasien‹.«
    Er überprüfte den Heizungsregler. »Es stellte sich raus, dass die Army und ich ganz gut zusammenpassten. Bin mit ihr von Vietnam an den Golf gezogen.« Er drehte das Gebläse auf, und das Wageninnere begann sich zu erwärmen. »Nach meinem Ausscheiden« – nicht nötig, über diesen Lebensabschnitt ins Detail zu gehen – »beschloss ich, das sei der richtige Zeitpunkt, um heimzukehren. Der alte Polizeichef ging in den Ruhestand, und sie brauchten jemanden mit Erfahrung, der Lust auf das ruhige Leben hier oben in Washington County hatte. Es ist ’ne gute Mannschaft, acht Officers und vier Teilzeitkräfte, und mir gefiel, wie sie alle zusammenarbeiten. Meine Frau Linda erwärmte sich gleich für den Gedanken, dass wir endlich irgendwo anders ansässig würden als in einer Großstadt oder einem hektischen Stützpunkt.« Na ja, das war nur die halbe Wahrheit; dass er ansässig würde, hatte sie sich allerdings gewünscht. »Sie lebt gerne so nah bei meiner Mutter und meiner Schwester.« Das war jetzt wirklich faustdick gelogen; aber so lautete die offizielle Partyfloskel, und er hielt sich daran. »Tja, und auf diese Art bin ich ein Vierteljahrhundert, nachdem ich es verlassen hatte, wieder in meinem alten Heimatstädtchen gelandet.«
    »Ist Ihre Frau berufstätig?«
    »O ja.« Er wechselte auf die rechte Fahrspur und bog in den Morningside Drive ab. Die Lichter aus dem neuen Wal-Mart ließen die Nacht natriumorange erstrahlen. »Sie ist selbständig: maßgeschneiderte Vorhänge. Das Geschäft geht besser, als einer von uns gedacht hätte.« Er verlangsamte und überprüfte dabei die Wagen auf dem Parkplatz. Er mochte keine Läden, die rund um die Uhr geöffnet hatten, denn die waren die reinsten Zielscheiben. »Momentan steigt sie in den Versandhandel ein, sagt, sie möchte ’nen richtigen Katalog machen. Ist toll – war wirklich einfach toll, das Ganze.«
    »Klingt so, als hätte sie ihre Berufung gefunden. Schön für sie. Manchen Soldatenfamilien fällt es schwer, sich wieder ans Zivilleben zu gewöhnen. Haben Sie beide Kinder?«
    »Nein«, antwortete er. »Und Ihre Geschichte? Sie stammen also aus Virginia?«
    »Geboren und aufgewachsen in einem kleinen Nest bei Norfolk«, sagte sie. »Meine Familie hat ein Charter-und Luftfrachtunternehmen. Ich dachte immer, ich wollte eines Tages dazugehören. Also bin ich nach dem College als Hubschrauberpilotin zur Armee. Um fliegen zu lernen, ist und bleibt doch die Armee am besten. Und es lief gerade eine große Kampagne, um Frauen in traditionelle Männerdomänen hereinzuholen. Ich war der einzige weibliche Rekrut in meiner Einheit.«
    »Ist bestimmt ziemlich schwer gewesen«, sagte er. Wenn er so darüber nachdachte, war sie weniger der Typ, der Bibeln abwarf, eher eine Bombenabwerferin über irgendeinem Zielgebiet.
    »Mitunter ja. Aber doch gut auf seine Art.« Bei einem sekundenlangen Seitenblick konnte Russ ein schiefes Grinsen über ihr Gesicht huschen sehen. »Nur musste ich letztendlich meine Pilotenkarriere über Bord werfen, als ich berufen wurde. Ich ging zurück nach Virginia, aufs Priesterseminar, und das war wirklich ein Glück für meine Eltern.«
    Russ war nicht nach den nebulösen, mystischen Tiefen der Frage zu Mute, wie jemand »berufen« wird. »Und was hat Sie hierher verschlagen?«, sagte er.
    »Ich war für einen Sommer als Hilfsgeistliche in den Berkshires. Hatte diesen Teil des Landes noch nie gesehen und verliebte mich einfach in ihn. Ich machte mich auf die Suche nach einer Pfarrstelle irgendwo in Neuengland, und als St. Alban’s frei wurde, dachte ich mir, na, ist mit dem Auto ja nur eine halbe Stunde von Vermont …«
    »Ah!«, sagte Russ. »Dann haben Sie noch keinen Winter in einem nördlichen Bundesstaat erlebt.« Die Ampel an der Kreuzung
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