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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant
Autoren: Sheri S. Tepper
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gestarrt hätte, gefolgt meist von dem Zeichen gegen das Böse, bevor er sich über die Schulter nach hinten schauend rasch entfernte. Rätsel zeigte keine Furcht, doch es dauerte eine Weile, bis ich merkte, daß er mich nicht erkannte, und bis mir einfiel, daß er sich ja keine Angst zu machen brauchte. Er war ein Unveränderlicher. Sie brauchten die Talente der Spieler nicht zu fürchten, nicht einmal das Talent des Nekromanten.
    »Kenne ich Euch?« fragte er, gegen den Stein gelehnt, und versuchte, das Gesicht hinter meiner Maske zu erkennen. »Sind wir uns schon einmal begegnet?«
    »Ich bin’s, Rätsel. Peter …«, sagte ich, schlug die Kapuze zurück und fuhr mit schmutzigen Fingern durch mein noch schmutzigeres Haar. »Ich hätte Euch ansprechen sollen.«
    »Peter.« Er schenkte mir sein unerwartet freundliches Lächeln und streckte die Hand aus, um mein Gesicht zu berühren, als sei ich sein Kind oder ein enger Freund. »Dich so gekleidet zu sehen … Ich hatte vergessen, daß du dieses Talent besitzt. Ich dachte, es wäre etwas mit … Gestaltwandeln.«
    Fast hätte ich etwas über die Spielfiguren von Barish gesagt, hielt aber meinen Mund. Bis auf Windlow und Himaggery, Seidenhand, Chance und vielleicht noch ein oder zwei andere, die aber still sein würden, wußte keiner etwas davon. Statt einer Erklärung tat ich Rätsels Worte mit einem Schulterzucken ab. »Ihr habt sicher wenig guten Grund, Euch zu erinnern. Ich blieb nicht lange am Havajordeich, nachdem Bannerwell gefallen war. Habt Ihr die ganze Zeit über Gefängniswärter gespielt?« Ich wußte, daß die Unveränderlichen beabsichtigt hatten, so lange in Bannerwell zu bleiben, bis sicher war, daß von Mandor keine besondere Gefahr mehr ausging, aber ich hatte nicht erwartet, daß Rätsel bei ihnen bleiben würde. Man erzählte, er sei ihr Führer, obwohl ich noch nie gehört hatte, daß einer der Unveränderlichen ihn mit einem solchen Titel ansprach.
    »Nein«, entgegnete er. »Sie haben mich holen lassen, nachdem Mandor gestorben war.«
    »Gestorben?« Ich konnte es mir nicht vorstellen, obwohl ich es insgeheim prophezeit hatte. Ich war mir sicher gewesen, daß er die Qual einer für die ganze Welt sichtbaren Verstümmelung nicht lange würde aushalten können, den Machtverlust, das Fehlen von Bewunderung – nicht er, der sein Leben lang nach Macht und Bewunderung gestrebt und sich selbst mit am meisten bewundert hatte. Trotzdem … Es war eigenartig, ihn sich tot vorzustellen. »Wie ist er gestorben?«
    »Der Turm.« Rätsel wies auf den Finger aus Stein, der wuchtig aus der westlichen Ecke der Festung gen Himmel ragte. »Dort oben stand er oft. Wir sahen ihn in der Abenddämmerung oder morgens früh, ein schwarzer Fleck vor dem Himmel. Eines Morgens war er nicht mehr dort, und sein Körper wurde unten zwischen den Steinen am Flußufer gefunden. Man holte mich, und ich kam gerade rechtzeitig, um zu erfahren, daß Huld ebenfalls nicht mehr da war.«
    »Tot?«
    »Ich befürchte, nein.« Er zog ein ärgerliches Gesicht und spuckte die Worte aus, als schmeckten sie schlecht. »Himaggery hatte Dämone rund um das Gebiet postiert, für den Fall, daß jemand flüchten sollte. Sie haben Huld nicht GELESEN. Meines Erachtens betäubte er sich, nachdem er sich in einem Holzfuhrwerk oder etwas ähnlichem versteckt hatte, um bewußtlos zu sein. So konnte er an uns vorbei gelangen, ohne daß irgend jemand seine Gegenwart bemerkte.«
    Ich schwieg. Der Gedanke, daß Huld frei in der Welt herumlief, gefiel mir nicht. Ich fröstelte, und Rätsel streckte wieder die Hand nach mir aus.
    »Na, mein Junge, was bringt dich nach Havajordeich? Wolltest du Mandor wiedersehen?«
    Ich fröstelte erneut. »Um Gotteswillen, nein. Ich habe etwas zu erledigen, nördlich von hier, und der Deich ist genau das geeignete Plätzchen, um von hier aus nach Norden aufzubrechen …«
    »So, so. Du willst doch sicher nicht heute noch mit deiner Reise beginnen? Hast du noch Zeit für ein warmes Abendessen und ein Bad? Und ein kleines Schwätzchen? Ich habe seit geraumer Zeit keine Neuigkeiten aus dem Süden mehr gehört …«
    So folgte ich ihm zu seinem Lager, einem massiven Steinhaus nahe der Mühle, das früher halbzerfallen gewesen, aber von den Unveränderlichen und den Bauern, die aus Bannerwell freigekommen waren, ausgebessert und mit einem neuen Dach versehen worden war. Wir wurden von schweigsamen Bauern bedient, deren Gesichter ich aus der Zeit meiner Gefangenschaft zu kennen
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