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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Autoren: Liane Sons
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enttäuschender als eine Stadt, die sich ergibt. Wo bleibt da der Spaß? Ich denke, du weißt, wovon ich spreche.«
    Milchige Augen starrten an ihm vorbei, Spinnenfinger krallten sich um einen hölzernen Stab, der sich in den Saum des überlangen, grauen Kapuzenmantels gebohrt hatte. Nicht unbedingt Hinweise auf gute Laune, aber durch die zeichnete sich der Hexenmeister ohnehin nur selten aus. Camora räusperte sich, saugte an der Pfeife, dass es schmatzte, und nickte. »Jedenfalls haben wir, was wir wollten: Kambala! Unser Tor zum Westen, unser Tor zum Sieg! Keine langen Wege mehr, keine Schwierigkeiten mit dem Nachschub, und nach El’Maran kann ich fast pissen! Weder die ach so edle Königin Morwena noch Darius, ihr fürstlicher Hengst, werden mich jetzt noch aufhalten können.«
    Die ausgemergelte Gestalt ihm gegenüber, die aussah und roch, als sei sie vor mehr als Tagesfrist gestorben, blähte die Nasenflügel. »Ist es tatsächlich schon fünfundzwanzig Jahre her, seit du mir dieses Versprechen das erste Mal gegeben hast? Spätestens die Ermordung der da’Kandar sollte uns nach deinen Worten den Sieg bescheren.« Die Stimme nahm einen sanften Klang an. »Der Todestag des Großkönigs jährt sich dieses Jahr zum fünfzehnten Mal, doch der Krieg dauert unvermindert an. Gab es jemals eine gröbere Fehleinschätzung als die deine? Aber ich bin voller Hoffnung: nicht wegen deiner Worte, aber … vielleicht ist deine Pisse ja wirkungsvoller als deine Truppen.« Ein Geräusch, das wohl ein Lachen sein sollte, aber eher nach dem Hustenanfall eines Schwindsüchtigen klang, schloss sich der Rede an.
    Camora kam lediglich dazu, den Mund zu öffnen, bevor der Hexenmeister weitersprach: »Unwichtig! Was schert mich noch der Krieg? Mir geht es längst um Größeres. Es ist so weit: Darius ruft die Siegelerben der Prophezeiung zusammen.«
    Der Fürst schluckte seine Wut über den Vorwurf der Unfähigkeit hinunter, setzte sich mit einer Pobacke auf den Tisch, weil er nicht mehr blöd im Raum herumstehen wollte, vom Stuhl aus aber zu dem stocksteif dastehenden Greis hätte hochsehen müssen, und zuckte die Achseln. »Du wirst es nicht glauben, aber auch ich habe davon gehört. Doch warum sollte es mich kümmern? Ohne einen da’Kandar-Erben können sich die beiden anderen meinetwegen auf den Weg zu Darius, zu sonst wem oder auch direkt zur Quelle machen. Hinkommen werden sie ohnehin nicht. Ausgerechnet der da’Kandar-Erbe, der ihnen das letzte Wegstück öffnen müsste, ist ja leider in Rauch aufgegangen.«
    »Und wenn nicht? Wenn es doch noch einen gibt?«
    Erneut stieg Wut in ihm hoch, die seine Stimme beben ließ. »Du kannst mir meinetwegen vorwerfen, dass ich Morwenas und Darius’ Halsstarrigkeit unterschätzt habe. Du kannst mir vorwerfen, dass ich deren Einfluss auf den Rat der Freien Reiche unterschätzt habe. Ich kann vielleicht auch nicht den Verlauf des Krieges in allen Einzelheiten vorhersehen, aber ich kann den Ausgang einer Schlacht beurteilen. Ich habe die Festung nach dem Überfall aufgesucht. Es gab kein Leben mehr auf da’Kandar. Weder vor Säuglingen noch vor schwangeren Frauen haben meine Krieger haltgemacht«, schnaubte er zurück. »Seit Jahren hält sich das Gerücht, ein da’Kandar-Prinz hätte überlebt und würde den Thron zurückerobern. Bis vor sechs Monden hast du es genau wie ich als Unsinn abgetan. Dann taucht plötzlich diese seltsame Prophezeiung auf, und du änderst von einem Tag auf den anderen deine Meinung. Seitdem suchst du genauso gründlich wie vergeblich nach einem Überlebenden dieser Nacht. Genauso vergeblich, wie du nach dem Schwert der Prophezeiung, diesem Schwert der Alten Könige, suchst! Was sagt dir das?« Er schwieg, sah keinerlei Reaktion und ergänzte trotzig: »Dass es beides nicht gibt! Bei allen Göttern! Sieh es endlich ein: Du jagst Hirngespinsten hinterher, Maluch!«
    »Und befinde mich dabei in bester Gesellschaft! Fürst Darius’ Seher ist auf dem Weg in den Norden, um dort den dritten Erben zu suchen, und von einer Zuträgerin habe ich erfahren, dass auf der Nebelinsel die Köpfe der Magierinnen rauchen, seit eine Prinzessin von einem da’Kandar-Prinzen geträumt hat – von einem Prinzen, der noch lebt.«
    Der Schwarze Fürst blies Rauch aus, formte mit rundem Mund Ringe und sah ihnen hinterher, bevor er antwortete: »Phantastereien! Träume! Sie klammern sich an eine Prophezeiung unbekannter Herkunft, weil sie wissen, dass es für sie keine andere Hoffnung
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