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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Autoren: Liane Sons
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auf.
    »Rasch, Aaron, rasch! Du musst mir helfen. Die Kinder purzeln fast heraus!«

    Bald würden die Hähne krähen. Dana lag in seinen Armen, bleich und hohlwangig, aber in seinen Augen schöner als je zuvor.
    »Bist du traurig, dass kein Junge dabei ist?«
    Sein Finger strich über ihre Wange. »Du wolltest einen Jungen, ich wollte Mädchen … aber gleich vier?! Ich wusste immer, dass du etwas Besonderes bist. Dana, dieser Tag ist der schönste meines Lebens. Ich danke dir, und ich liebe dich über alles, aber länger kann ich jetzt nicht bleiben.«
    »Geh nicht!«
    »Hadere nicht mit dem Schicksal, sondern nimm das Leben unserer Kinder dankbar an! Denk immer daran: Wir wurden gerade überreich beschenkt. Leb wohl, Geliebte!«
    »Ich will der Göttin danken, doch meine Liebe wird dich in den Tod begleiten.«
    Ihre Blicke trafen sich so voller Sehnsucht und ihre Lippen hungrig wie beim ersten Kuss. Er erhob sich, wandte sich seinen schlafenden Töchtern zu, nahm jede auf den Arm, nannte sie beim Namen und küsste sie segnend auf die Stirn.
    Die Kräuterfrau ergriff seine Schulter, reckte sich zu ihm hoch und flüsterte: »Sie sind alle gesund, aber wie sollen wir sie ernähren? Für vier wird die Muttermilch nie reichen.«
    Ein klägliches Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich weiß, aber die Ziege, die der Lohn für Zusatzarbeit bei der Ernte war, gibt reichlich. Versorge sie gut und achte auf meine Familie, bis Dana sich erholt hat, weise Frau!«
    Er wartete ihr Nicken ab, ging zur Tür und sah sich nicht mehr um, aus Angst, dann doch ein gottloses Leben in Schande dem Tod vorzuziehen. Haltloses Schluchzen folgte ihm.

    Die Freudenfeuer waren längst erloschen, und die Luft war geschwängert von kaltem Rauch, als er sich zum zweiten Mal in dieser hellen Nacht auf den Weg zum Opferberg machte, das Herz so voller Glück und voller Trauer und Schritt für Schritt mit immer größerer Furcht.
    Gewitterwolken türmten sich auf, ferne Blitze zuckten, und Asche wirbelte über dem Steinkreis, während er sich erneut auf die Knie niederließ und seinen Blick zum Himmel hob.
    »Verzeih mir, Haidar, dass ich an deiner Güte zweifelte!« Schnell wollte er zur Tat schreiten, bevor ihn auch der letzte Mut verließ. Während er sich noch für die große Gunst bedankte, die ihnen erwiesen worden war, zog er seinen Jagddolch aus dem Gürtel, setzte das Messer an sein Herz, hörte von weit her eine Stimme und stieß zu.
    Er hatte gehofft, nun einfach tot zu sein, war jetzt entsetzt, wie weh es tat, und kippte seitwärts in die längst erloschene Glut. Ein heiserer Schrei kam über seine Lippen, die Hände, die den Dolchgriff fest umschlangen, wurden kraftlos, nass und rot. Ein Bild von Dana erschien vor seinen trüben Augen … im Hochzeitskleid, mit einem Veilchenkranz im Haar. Ihr Lächeln gab ihm Trost in seinem Schmerz, der höllisch brannte. Doch ihr Gesicht nahm plötzlich fremde, weiche Züge an, und ihre braunen Haare wurden blond. Er wollte protestieren, doch sein Mund war längst mit Blut gefüllt. Auch seine Beine waren taub. Man starb wohl Stück für Stück, nur schneller könnte es gehen, denn Feuer fraß sich unerträglich durch seine Eingeweide. Verzweifelt wünschte er sich die Erinnerung an seine Frau zurück.
    Stattdessen drängte sich das unerwünschte Bild weiter in sein Gehirn, und volle Lippen formten Worte: »Du warst mir lieb und wirst mir nun doch lästig. Ich sage dir auch, warum: Ihr Leben haben mir schon viele angeboten, sei’s für Familie oder schnöden Sieg. Doch wenn geschah, worum sie baten, entschieden sie auf Zufall oder eigenes Können und brachten mir zur sicheren Versöhnung noch einen fetten Ochsen dar. Doch du, du hast den ausgesetzten Lohn entrichtet, und deine Dankbarkeit war nicht gespielt. Menschen wie dich gibt es nur noch wenige, obwohl die Welt viel heller wäre, gäbe es davon mehr. Dein Schicksal sollte nicht sein, hier zu sterben, denn Menschen, die uns Göttern wohlgefällig leben, die segnen wir mit unserer Gnade gern. Doch selbst wir Götter haben Grenzen, gezogen von den anderen Göttlichen. Ich kann das Schicksal nur entscheiden, wenn noch die Möglichkeit zur Änderung besteht. Wie soll das gehen bei einer tödlichen Verwundung? Es gibt nichts mehr, das dir jetzt helfen kann. Fast bist du schon in Bruder Gaias Hand, der sie dir reicht, um dich in seine Sternenhalle zu geleiten. Ich bin verärgert, hatte anderes im Sinn. Ich war bereit, euch zu beschützen, und
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