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Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman
Autoren: H kan Nesser
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Frage nach der Demütigung. Jetzt sitzt er wieder da und ist wieder so lächerlich rätselhaft, als wäre er irgend so ein verfluchter Film- oder Romandetektiv! Das ist doch einfach zu bescheuert. Ich begreife nicht, warum ich mir solche Scheißlaunen gefallen lassen soll ...
    »Ich habe meine Gründe«, unterbrach Van Veeteren ihn, als könnte er Münsters Gedanken lesen. »Gute Gründe, ich hoffe, du verstehst das. Du wirst es hinterher auf jeden Fall verstehen können.«
    Münster kroch zu Kreuze.
    »All right«, sagte er. »Weiß der Hauptkommissar, wer es ist?«
    »Nein«, sagte Van Veeteren. »Ich habe nur so eine Idee, und die ist nicht einmal besonders originell ... Wenn sie nicht stimmt, ist es am besten, wenn keiner davon gewußt hat.«
    Münster stand auf.
    »Na gut«, sagte er. »Also morgen ein freier Tag mit der Familie. Abends wieder zur Stelle – sonst noch was?«

    »Ich denke nicht«, sagte Van Veeteren. »Doch, ja, du kannst mir Glück wünschen. Das kann ich vielleicht gebrauchen.«
    »Waidmannsheil«, sagte Münster und überließ den Hauptkommissar seinem Schicksal.
     
    Eine ganze Weile später saß dieser immer noch da und starrte über die Stadt. Er rauchte noch eine Zigarette und wünschte sich, er hätte etwas, womit er den schlechten Geschmack in seinem Mund wegspülen könnte.
    Wenn der Fall hier beendet ist, möchte ich nie wieder an ihn erinnert werden. Nie wieder.
    Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und telefonierte.
    Er stellte zwei Fragen und bekam ungefähr die Antworten, die er erwartet hatte.
    »Ich komme gegen zwölf«, erklärte er. »Nein, ich kann nicht sagen, worum es sich handelt. Es wäre zu blöd, wenn ich mich irre.«
    Danach nahm er eine Dusche und ging ins Bett. Es war gerade erst elf Uhr, aber je früher er am kommenden Tag loskam, um so besser.
    Morgen weiß ich es, dachte er.
    Übermorgen schnappen wir ihn, und Samstag fahre ich nach Hause.
    Dann war es genau ein Monat.
    Aber bevor er einschlafen konnte, überwältigten ihn die Gedanken an Beate Moerk, und so kam es, daß er erst gegen Morgengrauen endlich richtig die Augen schloß.

45
    »Das Böse«, begann er, und seine Stimme klang noch angestrengter, kaum hörbar in der dicken Luft, »... das ist ein Prinzip, das nicht zu umgehen ist, so viel ist sicher. Ein junger Mensch kann Probleme haben, das zu begreifen, aber für uns
wird es um so deutlicher. Das Prinzip, dem wir entgegensehen können, auf das wir uns als das absolute verlassen können, das ist das Böse. Das, was einen letztendlich nie enttäuscht. Das Gute ... das Gute ist nur eine Basis, ein Hintergrund für das Teuflische, um besser hervortreten zu können. Nichts anderes... nichts.«
    Er hustete. Zündete sich eine neue Zigarette an, ein glühender Punkt, der in der Dunkelheit zitterte.
    »Wenn man endlich zu dieser Einsicht gekommen ist, bedeutet das in gewisser Weise auch einen Trost. Es ist schwer zu ertragen, alle Hoffnungen fahren lassen zu müssen, alle diese Illusionen und Luftschlösser, die man anfangs aufgebaut hat. In unserem Fall hieß sie Brigitte, und als sie zehn Jahre alt war, versprach sie mir, mir nie weh zu tun ... sie kam damals den Strand entlanggelaufen, es war ein Tag Ende Mai mit viel Wind. Draußen bei Gimsvejr. Sie warf sich mir in den Schoß und umarmte mich so fest, daß ich mich noch daran erinnere, wie mir hinterher der Nacken weh tat. Wir wollen uns unser ganzes Leben lang lieben und uns nie etwas Dummes antun ... genau das hat sie gesagt. Etwas Dummes ... uns nie etwas Dummes antun ... zehn Jahre, weizenblonde Zöpfe. Wir hatten nur sie, und es gab Leute, die sagten, sie hätten noch nie ein Kind gesehen, das so eine Freude ausstrahlte. Keiner konnte lachen wie sie, es kam vor, daß sie sich selbst davon aus dem Schlaf aufweckte ...«
    Er hustete wieder.
    »1981 machte sie ihr Abitur. Sie fuhr nach England und arbeitete dort ein Jahr lang. Im darauffolgenden Jahr begann sie an der Universität von Aarlach. Dort traf sie einen Jungen, der Maurice hieß ... Maurice Rühme ... tja, damit sind wir schon mittendrin. Ich glaube, sie kannte ihn schon vorher ein bißchen, er war von hier. Er studierte Medizin. Stammte aus einer guten Familie, besaß Anziehungskraft, und er zeigte ihr, wie man Kokain nahm ... er war der erste, aber ich habe ihn mir für den Schluß aufgehoben.«

    Die Zigarette glühte.
    »Sie zogen zusammen. Sie haben nicht einmal ein Jahr lang zusammengewohnt, da hat er sie rausgeworfen.
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