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Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman
Autoren: H kan Nesser
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dir klargeworden, daß ich es wußte?«
    Bausen zögerte.
    »Bei der letzten Schachpartie vielleicht. Aber ich war mir nicht sicher...«
    »Ich auch nicht«, sagte Van Veeteren. »Hatte einige Probleme mit dem Motiv.«
    »Aber jetzt hast du es verstanden?«
    »Ich denke schon. Kropke hat gestern einiges nachgesehen ...«
    »Moerk weiß alles. Du kannst sie fragen. Ich schaffe es nicht, alles noch mal durchzugehen. Ich bin so schrecklich müde.«
    Van Veeteren nickte.
    »Das Telefongespräch gestern...«, sagte Bausen. »Ich lasse mich nicht so schnell anschmieren, das war eher aus Höflichkeit, wenn du entschuldigst?«
    »Na klar«, sagte Van Veeteren. »Das war eine hausgemachte Eröffnung.«
    »Endspiel eher«, sagte Bausen. »Jedenfalls hatte ich das Gefühl, ihr habt euch reichlich Zeit gelassen...«
    »Hatte Probleme mit dem Auto«, sagte Van Veeteren. »Wollen wir?«
    »Ja«, sagte Bausen, »das müssen wir wohl.«

V
2. Oktober

52
    Der Strand war endlos.
    Van Veeteren blieb stehen und blickte aufs Meer. Die Wellen waren kräftig, endlich einmal. Ein frischer Wind zog auf, und hinten am Horizont war der obere Rand einer dunklen Wolkenbank zu sehen. Sicher würden sie am Abend noch Regen bekommen.
    »Ich denke, wir kehren um«, sagte er.
    Münster nickte.
    Sie waren seit mehr als einer Stunde unterwegs. Synn hatte gesagt, sie würde um drei Uhr Essen machen und die Kinder müßten noch gründlich geschrubbt werden, bevor sie sich an den Tisch setzen konnten.
    »Bart!« rief er und winkte mit dem Arm. »Wir kehren um!«
    »Okay!« schrie der Sechsjährige und machte einen letzten Ausfall gegen den eingegrabenen Feind im Sand.
    »Ich bin müde«, stellte seine Tochter fest. »Trägst du mich!«
    Er hob sie auf seine Schultern, und langsam zogen sie sich vom Strand zurück.
    »Wie geht es ihm?« fragte Münster, als er merkte, daß Marieke eingeschlafen und Barts Vorsprung groß genug war.
    »Gar nicht so schlecht, denke ich«, sagte Van Veeteren. »Die Zukunft interessiert ihn nicht besonders... die Hauptsache ist, daß er es gemacht hat.«
    »Wollte er geschnappt werden?«
    »Nein, aber es spielt wahrscheinlich auch keine so große
Rolle. Es war natürlich unhaltbar, als Moerk ihm auf die Spur gekommen war.«
    Münster überlegte.
    »Wie viele Zeilen stehen eigentlich über Brigitte Bausen im Melnikbericht?« fragte er.
    »Genau eine Seite. Über das Jahr, in dem sie zusammenwohnten. Ihr Name wird zweimal erwähnt. Melnik hatte natürlich keine Ahnung, nicht einmal er kann schließlich wissen, wie alle Polizeichefs heißen... wenn er etwas mehr Zeit gehabt hätte – Bausen meine ich natürlich –, dann hätte er einen anderen Namen einsetzen können, statt die ganze Seite rauszunehmen. Dann hätte er es vielleicht geschafft. Aber wir haben ja sozusagen auf ihn gewartet... und verflucht noch mal, wir hätten eigentlich sehen müssen, daß da eine Lücke war.«
    Münster nickte.
    »Eigentlich fällt es mir ziemlich schwer, ihn zu verurteilen. Moralisch gesehen, meine ich...«
    »ja«, sagte Van Veeteren. »Man kann schon der Meinung sein, daß er im Recht war – vielleicht nicht gerade, drei Menschen den Kopf abzuschlagen, aber doch irgendwie zu reagieren, aus seiner großen Trauer heraus.«
    Er grub in den Jackentaschen und zog die Zigaretten heraus. Er mußte stehenbleiben und die Hände um das Feuerzeug halten, damit die Flamme nicht erlosch.
    »Eine große Trauer und eine große Entschlossenheit«, stellte er fest, »das sind wohl die Hauptzutaten in diesem Gericht. Das sind Moerks Worte, nicht meine, aber sie taugen sicher gut als Zusammenfassung. Trauer und Entschlossenheit... und Notwendigkeit. Es ist nicht unbedingt eine schöne Welt, in der wir leben, aber das ist uns ja schon vor langer Zeit klar geworden. Oder?«
    Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Münster erinnerte sich an etwas, das Beate Moerk von den Gesprächen mit Bausen im Keller erzählt hatte.
    Wir bekommen vom Leben gewisse Dinge auferlegt, soll er
gesagt haben. Wenn wir den Auftrag nicht annehmen, versteinern wir, das ist gar keine Frage des Willens...
    Versteinern? Stimmte das? Sah er im Grunde genommen genau so aus – dieser fruchtlose Kampf gegen das Böse? Bei dem das Ergebnis, wie gering und mißglückt es auch ausfallen konnte, trotzdem nie das wichtige war... bei dem nur die Handlung an sich, das Prinzip, etwas bedeutete?
    Und als Belohnung wartete nur, daß man nicht versteinerte? Nur?
    Ja, vielleicht war das
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