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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus
Autoren: Pierre Bellemare
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ist.
    »Ich kam gerade aus dem Garten zurück. Ich hatte die Haustür nicht verschlossen. Im Wohnzimmer hatte sich ein Mann versteckt. Er schlug mit den Fäusten auf mich ein, und ich schrie: >Jesus, Maria und Josef!< Als ich zu Boden fiel, traktierte er mich mit Fußtritten. Ich habe gerufen: >Warum schlagen Sie mich? Das ist nicht der Mühe wert, Sie können alles mitnehmen!< Aber er hat nicht aufgehört, mich zu treten.«
    Einer der Beamten fragt: »Haben Sie ihn wiedererkannt? Haben Sie den Mann früher schon einmal gesehen?«
    Mit schwacher Stimme erwidert die alte Frau: »Nein. Es war schon fast dunkel, und ich schalte das elektrische Licht erst so spät wie möglich an, um Strom zu sparen...«
    Während das Polizeiauto das Opfer ins Krankenhaus von Besançon bringt, kann die Nachbarin, Madame Boisseau, noch genauere Angaben machen: »Ich hörte Adelaïde schreien. Mein Hund hat sie ebenfalls gehört und angefangen zu bellen. Er hat den Einbrecher schließlich in die Flucht geschlagen. Als ich ins Haus kam, war der Mann schon fort. Es war ihm sicher keine Zeit geblieben, irgend etwas mitzunehmen, außer einem großen Laib Brot, den ich Adelaïde gebracht hatte. Er lag jedenfalls nicht mehr in der Küche.«
    Die Gendarmen ziehen sich zurück. Diese Angaben sind präzise genug, um den Schuldigen aufzuspüren. Außerdem hat Wachtmeister Vauquier, der die Ermittlung leitet, bereits eine Idee.
    »Es ist jemand aus der Gegend, darauf möchte ich wetten! Also, los geht’s. Er kann nicht weit gekommen sein.«
    Die Polizisten teilen sich in Zweiergruppen und beginnen, mit Taschenlampen ausgerüstet, die Gegend abzusuchen.
    In einer verlassenen Scheune, die etwa fünfhundert Meter vom Hof der Adelaïde Mercier entfernt liegt, zieht sich Luden Blanchet die Stiefel aus und läßt sich auf sein Strohlager fallen. Er nimmt die bequemste Lage ein und versucht, so rasch wie möglich einzuschlafen, um zu vergessen, daß er nicht zu Abend gegessen hat.
    Lucien Blanchet ist in der Gegend allgemein bekannt. Er ist ein Mann von einfältigem Geist, der keinen festen Wohnsitz hat, sondern sich mal bei diesem, mal bei jenem Bauern als Tagelöhner verdingt. Für ein paar Sous oder ein paar Gläschen Cidre führt er diverse grobe Arbeiten aus.
    Im Grunde mögen ihn alle gern. Er gehört zu jenen schlichten und harmlosen Zeitgenossen, wie es sie überall auf dem Lande gibt. Obwohl er schon vierzig ist, hat er noch immer das Gesicht eines jungen Mannes mit seinen kurzgeschorenen Haaren und dem ewigen Lächeln, das einen zahnlosen Oberkiefer enthüllt.
    Ja, für ein schlichtes Gemüt reduziert sich das Dasein auf wenige Dinge... Er kann kaum lesen, geschweige denn schreiben, er arbeitet, wenn er Hunger hat, ansonsten bettelt er oder stibitzt ein paar Kartoffeln. Das Wichtigste ist für ihn seine Freiheit und die Möglichkeit, nach Lust und Laune den Ort zu wechseln.
    Zu den Dingen, mit denen sich Lucien Blanchets nicht sehr ausgeprägter Verstand ernsthaft beschäftigt hat, gehört der Umgang mit den Gendarmen. Er weiß, daß er Gefahr läuft, wegen Landstreicherei verhaftet zu werden, da er weder einen festen Wohnsitz noch eine regelmäßige Arbeit hat. Eines Tages hat ihm jemand gesagt, die Gendarmen würden ihn in Ruhe lassen, sofern er immer eine gewisse Summe Geld bei sich habe. Deshalb trägt er seitdem stets eine Zehnfrancs-Note in der Tasche.
    Unglücklicherweise hat Lucien an diesem 14. September eine Dummheit begangen. Als er abends am Café von Clergy vorbeikam, überfiel ihn ein übermäßiger Durst, und er gab fast sein ganzes Geld für Cidre aus. Reuevoll kramt der Vagabund jetzt in seiner Tasche, in der sich nur noch fünfzig Centimes befinden.
    Plötzlich hört er draußen Schritte und Wortfetzen. Als er den Kopf zur Scheune herausstreckt, sieht er zwei aufgeblendete Taschenlampen sich nähern, was nichts Gutes verheißt. Instinktiv stürzt er ins Freie und ergreift die Flucht. Hinter sich hört er Schreie: »Sie da hinten, bleiben Sie stehen! Bleiben Sie stehen, oder wir schießen!«
    Nein, Lucien hat sich nicht getäuscht. Es sind tatsächlich die Gendarmen! Um ihnen zu entkommen, muß er noch schneller laufen, sonst landet er womöglich im Gefängnis.
    Jetzt ertönen Schüsse, doch Lucien bleibt nicht stehen, im Gegenteil, er beschleunigt seinen Lauf. Wenn er es bis zum Wald schaffen könnte, wäre er gerettet. Er kennt sich dort gut aus. Doch schon tauchen weitere Gendarmen vor ihm auf. Es ist nicht mehr zu ändern:
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