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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus
Autoren: Pierre Bellemare
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aufschlägt. Wie immer klopft Wachtmeister Golding drei Minuten später diskret an der Tür und bringt ihm seine Tasse Tee.
    »Scheint ein schöner Tag zu werden, Inspektor.«
    »In der Tat, Golding! Was gibt es seit gestern Neues?«
    »Die Katze von Miss Seagrove ist wieder entwischt. Ich werde gleich hingehen und sie von ihrem Baum herunterholen.«
    »Sehr gut, Golding...«
    Inspektor Ashbourne nimmt seine Lektüre wieder auf. Mit seinem dichten roten Haar und dem ebenfalls roten Schnurrbart ist er ein recht gutaussehender Mann, obwohl vielleicht ein wenig zu rundlich um den Bauch...
    Gewiß, der fast vierzigjährige Inspektor hat bei der Polizei nicht gerade eine glänzende Karriere gemacht. Doch wie hätte es anders sein können, wenn man ausgerechnet in einem Ort wie Sheridan lebt, dieser kleinen Stadt in der Grafschaft Yorkshire, wo nichts, aber auch absolut gar nichts passiert? Die Probleme kreisen dort in der Regel um Haustiere wie den Kater der alten Miss Seagrove, einem unverbesserlichen Wiederholungstäter...
    Was die letzte Rauferei im Pub betrifft, so kann sich der Inspektor schon nicht mehr erinnern, wann das gewesen ist. Dennoch, Inspektor Ashbourne bedauert keineswegs, in Sheridan zu leben. An einem Ort, wo nichts passiert, kann er wenigstens seinen liebgewordenen Gewohnheiten nachgehen. Und Ashbourne, der ein eingefleischter Junggeselle ist, hat seine Gewohnheiten stets über alles andere gestellt.
    Erneut klopft es diskret dreimal an der Tür. Es ist Golding. Der Inspektor hebt die Augenbrauen.
    »Was gibt es, Golding?«
    »Draußen ist eine Dame, Inspektor. Sie besteht darauf, Sie zu sprechen. Sie sagt, es sei dringend.«
    »Dringend?«
    Peter Ashbourne wiederholt das Wort, als sei es etwas Ungehöriges und meint schließlich: »Nun gut, lassen Sie sie hereinkommen.«
    Der Störenfried ist eine Frau um die vierzig, die ein rotes Kleid und einen hellen Regenmantel trägt. Sie wirkt ziemlich aufgeregt.
    »Ich muß Ihnen unbedingt erzählen, was mir letzte Nacht passiert ist. Die Sache ist in Wirklichkeit vielleicht nicht so schlimm, aber ich habe trotzdem Angst.«
    Inspektor Ashbourne nimmt ein Blatt Papier und einen Stift zur Hand.
    »Wollen wir nicht der Reihe nach vorgehen, Madam? Sie heißen?«
    »Patricia Lindquist. Ich wohne in der Prestwick Road in Sheridan.«
    »Gut. Ich höre, Mrs. Lindquist.«
    »Es war gestern abend gegen halb neun. Wie immer nahm ich den Bus von Kingston nach Sheridan zurück. Ein Mann setzte sich mir gegenüber auf die Bank, und ich weiß nicht, wieso, aber ich hatte gleich so ein komisches Gefühl. Er stieg dann an der letzten Haltestelle vor Sheridan aus.« Patricia Lindquists Stimme überschlägt sich jetzt beinahe: »Die Art, wie er ausgestiegen ist, war so unerhört! Er hat gewartet, bis der Bus hielt und die Tür aufging, und dann ist er ganz plötzlich aufgestanden und hat alle Leute zur Seite gestoßen. Jeder hat gesagt, daß das einfach eine Frechheit sei und daß der Kerl keine Manieren habe...«
    »Es ist in der Tat ein Zeichen von schlechter Erziehung, Madam, aber...«
    »Warten Sie, das Wichtigste habe ich Ihnen noch nicht erzählt. Beim Aufstehen hat der Mann mich am Ellbogen gestreift. Ganz mechanisch bin ich mir danach über den Ärmel meines Mantels gefahren, und da habe ich gesehen, daß er auf einmal blutverschmiert war!«
    Die Frau hält dem Inspektor ihren rechten Ärmel hin.
    »Hier, sehen Sie! Auf meinem Regenmantel!«
    Peter Ashbourne bemerkt einen bräunlichen Fleck auf dem Stoff.
    »Tatsächlich...«
    Die Frau ihm gegenüber schweigt jetzt. Sie wartet sichtlich darauf, daß er etwas sagt, und da nichts dergleichen geschieht, ergreift sie, diesmal in leicht gereiztem Ton, erneut das Wort: »Nun, was werden Sie jetzt unternehmen?«
    »In welcher Angelegenheit, Madam?«
    »In bezug auf diesen Mann, natürlich!«
    »Hören Sie, Madam, glauben Sie wirklich, es sei Aufgabe der Polizei, Leute zu verfolgen, die bluten?«
    Patricia Lindquist wirkt schockiert.
    »Er hat nicht geblutet, Inspektor! Er hatte Blut an seiner Kleidung. Das ist etwas ganz anderes!«
    Ashbourne seufzt.
    »Zugegeben. Können Sie ihn beschreiben?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Und das ist ja gerade das Schlimme daran. Er las Zeitung, und ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Auch als er aufstand, hielt er sich die Zeitung vors Gesicht. Sie werden doch nicht behaupten wollen, das sei normal!«
    Obwohl der Inspektor das soeben Gehörte alles andere als interessant findet, wahrt er seinen
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