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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Kitschige und eine derartige Sicherheit bezüglich ihrer Wahl in ihnen freisetzt, dass ein wirklich guter Architekt da chancenlos ist. Und dann, wusste Modráček, kann es passieren, dass sogar ein guter Architekt, um sein Gewerbe überhaupt betreiben zu können, dem Kunden entgegenkommt und hinabsteigt auf dessen Niveau, sorgfältig alle Experimente vermeidet und seine Erfindungsgabe unterdrückt und leugnet. Modráček hatte ein abschreckendes Beispiel in Leopold Bauer, dem Architekten, der mit dem ersten modernen Haus in Mitteleuropa berühmt geworden war, der robusten und dabei eleganten Villa des Advokaten Reißig, die ein bewunderungsvoller Toast auf den amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright war. Um jedoch zehn Jahre später auf Wunsch des Fabrikanten Hecht, im gleichen Viertel, in Pisárky, und sogar in der gleichen Gasse, einen klassizistischen Pfusch hinzustellen, einen konservativen Bau, dessen stilistischen Bankrott dann das sowjetische Konsulat, das nach dem kommunistischen Umsturz dort einzog, zu schätzen wusste. Weil die Russen vom Kitsch angezogen werden wie Nekrobionten-Fliegen von menschlichen Leichen.
    Modráček wohnte in einem Mietshaus, dessen äußere Gestalt nicht beachtenswert, aber wenigstens nicht anstoßerregend war. Täglich stieg er in diesen dritten Stock (mit Mezzanin) hinauf im Bewusstsein, sollte er einmal Familie haben, diese nicht hier haben zu wollen, damit seine Frau im Falle einer Schwangerschaft ihre kostbare Last nicht in diese Höhe und über diese beschwerlichen Stufen schleppen müsse. Er träumte von seiner eigenen Villa, einem einzigartigen architektonischen Wunder irgendwo in Černá Pole, im Beamtenviertel oder in Pisárky. Aber die Zeit verflog rasch, und seine professionelle Unnachgiebigkeit hatte zur Folge, dass er lediglich die Gelegenheit bekam, eine Villa am Stadtrand von Olmütz und für seine geliebte Schwester ein Einfamilienhaus in BrünnŽabovřesky zu bauen, einen bewundernswerten Bau, der eine Art Vorform seiner eigenen Villa war, dafür aber alles verschlang, was er bei der in Olmütz verdient hatte. Allerdings hatte er sich mit diesen zwei Häusern einen Namen gemacht, was dann auch Günter Wagenheim verifizieren ließ, bevor er sich dazu entschloss, ihm die Arbeit an seiner Brünner Villa anzuvertrauen, die zwar Modráčeks Schwester das Leben rettete, zur Realisierung von Modráčeks Villa jedoch nichts beitrug. Aber gleich nach dem Krieg entschloss er sich, endlich seinen Traum zu verwirklichen und Geld zu verdienen für sein eigenes Heim. Und so nahm er am Ende unrühmlich Abstand von seinem „ästhetizistischen Aristokratentum“ und säte in Brünn ein paar „reizende architektonische Zwerge“ aus, wie Modráčeks Kollege, Architekt Kroha, der ihn um die fürstlichen Honorare für seinen architektonischen Nachkriegskitschbeneidete, seine Arbeit hämisch kommentierte. Das war im Jahre 1947. Doch als es bereits schien, alles würde ihm in die Hände spielen, wurden seine Pläne plötzlich zunichte, und Modráček hatte auch schon für immer den richtigen Zeitpunkt verpasst und blieb im Mietshaus in der Běhounská 3–5 gefangen.

DER FALL VON RADEKS FRAU
    Noch in den ersten drei Jahren nach dem Krieg hatte ich folgendes Inserat in der Zeitung: „Dan Kočí alias Stanley Pinkerton, Detektivbüro. Hochprofessionelle und äußerst diskrete Dienste. Ermittlungen aller Art, aber auch ganz spezielle Leistungen.“
    Meine einzige Waffe war von jeher ein Fotoapparat mit Blitz gewesen. Sobald ich jedoch das Blitzlicht verwendete – und jetzt spreche ich von jenen speziellen Leistungen –, wusste das ertappte Paar, dass der Spaß für sie aus war und ein Scheidungsverfahren folgen und die klagende Partei dem ehebrecherischen Teil jetzt den Zugang zum erheirateten Vermögen kappen würde. Häufiger jedoch war es so, dass ein Klient keinen Blitz wünschte, sondern nur eine möglichst diskrete Eruierung des Standes der Dinge.
    Der Steinmetz Radek Stolař wohnte nicht weit vom Bahnhof, in einem der Mietshäuser in der Hybešova. Zusammen mit der Wohnadresse gab er mir drei Fotos von seiner Frau, da er mich selbstverständlich nicht persönlich mit ihr bekannt machen konnte. Sie war eine ungeheuer reizvolle Blondine. Ich beeile mich allerdings hinzuzufügen, dass Radek seinerseits ein ansehnlicherBursche war. Dank seiner schweren Steinmetzarbeit und männlicher Dickköpfigkeit hatte er sich die Figur und die straffen Gesichtszüge erhalten können.
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