Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
Vom Netzwerk:
versicherte, auf keinen Fall den Wunsch zu hegen und vorzuhaben, sich seine Ehe zu ruinieren, wusste Dan nur allzu gut, dass, wenn ein Klient einmal vor einer nicht wegzudiskutierenden Tatsache steht, ihn dies bis zur Unkenntlichkeit verändern kann. Und so mögen Fakten, die in vierzehn Tagen – weil Seitensprünge doch nur Wunderkerzen sind, die selten einen wirklichen Brand entfachen – schon ganz andere sein könnten, im Fall, dass sie erbarmungslos offengelegt werden, explodieren und eine Beziehung, für die ein wenig Pflege gereicht hätte, auseinanderfegen. Aber diesmal sprach Dan, weil er seinen Klienten auf keinen Fall entmutigen wollte, keine Warnung aus. Im Gegenteil, er freute sich, dass er endlich wieder das würde tun können, wozu er auf diese Welt berufen worden war. Letzten Endes sah er im Faktum, dass in seinem Vorzimmer ein nicht existierendes Telefon geläutet hatte, von Radek mit seinem Straßenbahntraum bewirkt, ein Signal, dass er sich richtig entschieden hatte. Dass es genau umgekehrt sein und dieses Signal auch ein Lockruf auf den Weg in die Hölle sein könnte, kam ihm überhaupt nicht in den Sinn.

DAS HAUS IN DER BĚHOUNSKÁ
    Das Haus in der Běhounská 3–5 ist ein nicht aus der Norm fallendes vierstöckiges Mietshaus, wenigstens durch seine historisierende eklektizistische Fassade, die sich einfügt in jenen langen nostalgischen Karneval von Baustilen des ausgehenden neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts, einen Stilkarneval, der Brünn erst zu Brünn macht. Errichtet worden ist es von den Brüdern Kletzl, Söhnen eines Maurermeisters, als ihr ehrgeizigstes Bauwerk: ein Mietshaus in Form eines schlichten Stadtpalais und aus drei horizontalen Teilen komponiert, wobei der mittlere sich auszeichnet durch einen Erker mit Balkon und ionischen Kapitellen, das also, was man damals gemeinhin als Beletage unter einem Kordongesims bezeichnete und woran die Gebrüder sich ausgetobt haben. Über dem Balkon dann ein zur Fratze verzerrtes Gesicht, Maskaron genannt, vergoldete Sonnen und gewollt einfallsreich stilisierter Dekor. Ja, von außen noch ganz passabel, innen jedoch ein unbequemer steinerner Treppenaufgang (schon sichtlich abgetreten von jener vergeudeten Schar von Seelen, die ihre nichtigen Leben hier verlebt haben), ein gusseisernes Geländer mit Ranken, hässliches Gemäuer wie in einer Gefängnisfestung, wie ineiner scheußlichen Zitadelle, abgeschlagene violette Fliesen, schwarze Stromverteilerkästen und natürlich kein Aufzug. Die Wohnungen auf der linken Seite sind etwas geräumiger, Vierzimmerwohnungen mit Balkonen zum Hofschacht, rechts hingegen solche mit nur drei Räumen und insgesamt irgendwie zu kurz gekommen und einen deprimierten Eindruck erweckend. Und in so einer Wohnung im dritten Stock wohnt Architekt Kamil Modráček, freudlos ist er hier auf Lebenszeit vor Anker gegangen. Und hier im größten Zimmer mit Blick auf die Straße hat er jetzt sein Atelier, nachdem man ihm das in der Leninova, der Leninstraße, verstaatlicht hat. Nützen wir den Umstand aus, dass wir jetzt alleine sind in diesem Zimmer, stellen wir uns (ich erinnere daran, wir befinden uns am Beginn der Fünfzigerjahre) ans Fenster mit Blick auf die gegenüberliegende Gastwirtschaft Cajpl und erzählen wir uns etwas über den Herrn Architekten.
    Zuerst was Schmeichelhaftes, um euch nicht gleich am Anfang das Interesse an seinen schicksalhaften Erlebnissen zu nehmen. Nun, die schwere Sünde des Architekten Modráček bestand in den Augen der neuen Donnergötter nicht nur in der Villa für SS-Gruppenführer Wagenheim, sondern vor allem darin, dass er seiner politischen Gesinnung nach nicht zur architektonischen Vorkriegslinken gehört hatte, dass er nämlich ein weißer Rabe unter lauter roten gewesen war.
    Gut, aber warum hat er zu einer Zeit, als andere Brünner Architekten wie Kumpošt, Kroha, Fuchs, Polášek, Kalivoda schon längst in den besseren Brünner Vierteln ihre Villen hatten, in einem Mietshaus gewohnt? Nun, derGrund dafür könnte euch ja unter Umständen gefallen. Architekt Modráček hat sich nämlich nie mit Kleinem zufriedengegeben, er wollte immer so hoch hinaus wie nur möglich, überzeugt davon, nicht einmal das Recht zu haben, von dieser Art zu denken abzuweichen. Nicht der kleinste Schatten von Mittelmäßigkeit. Damit vergraulte er allerdings auch Klienten und Auftraggeber. Geldmenschen sind oft Schweinekerle, weil ihre maßlose Wichtigkeit einen derartigen Sinn fürs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher