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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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systematisiert, damit es meiner Detektei zur Verfügungstehen kann, obwohl ich diese schon einige Zeit nicht mehr betreibe. Ich bin hier, meine Geliebten wie auch Gehassten, ich bin hier, um euch sorgfältig zu observieren und aus eurem Verhalten eventuelle Anzeichen von irgendetwas, das einmal in meine Kompetenz als Privatschnüffler fallen könnte, abzuleiten.
    Aber zurück. Von jenen Tausenden menschlichen Gesichtern habe ich, schätzungsweise, kaum Tausend übersichtlich geordnet, während der um ein Vielfaches größere Rest dort nur so daliegt, ja, genauso wie Korn in einem Getreidespeicher. Sodass mir dann passieren kann, was mir gerade jetzt passiert ist.
    Das observierte Objekt (Lucie) ging jemandem mit Sommerhemd und Beamtenaktentasche entgegen. Und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich diesen Menschen von irgendwoher kannte. In meiner geordneten „Kartei“ fand ich ihn jedoch nicht. Er war nicht so in meinem Gedächtnis eingereiht, dass ich augenblicklich wissen konnte, woher ich ihn kannte. Aber trotzdem: Ich konnte nicht in Abrede stellen, ihn zu kennen.
    Radeks Frau war jetzt bei dem Mann mit der Aktentasche angelangt und berührte leicht und schnell und kaum wahrnehmbar mit zwei Fingern, dem Zeige- und dem Mittelfinger, so bitteschön, seinen Ellbogen. Trat aber gleich wieder ein Stück zur Seite, als ob sie nichts dergleichen getan hätte, und beide eilten miteinander, gleichzeitig aber in einem deutlichen Abstand zueinander, weiter, als hätten sie nichts miteinander zu tun.
    Mir war gleich von Anfang an klar, dass das nicht irgendein bedeutungsloser kleiner Amtshengst seinkonnte. So jemanden hätte Ihre Majestät die Bestie nicht einmal mit dem kleinen Finger angetippt. Also handelte es sich um einen sehr bedeutenden, einen wichtigen Beamten, und wahrscheinlich war er in einer amtlichen Mission unterwegs, die ihm nur als Vorwand diente.
    Aber während ich so nachsann, tauchte ein großer Möbelwagen auf und verdeckte mir die Sicht auf die beiden auf dem gegenüberliegenden Gehsteig. Und weil dieser Möbelwagen jetzt wie absichtlich im Schneckentempo dahinkroch, wusste ich, dass ich hinüberlaufen musste, wenn ich sie nicht verlieren wollte. Aber das gelang mir nicht, weil wieder wie absichtlich ein Militärkastenwagen meinen Weg kreuzte und gleich hinter ihm ein Traktor mit einem langen Anhänger. Und dann hörte ich nur noch das Geräusch eines startenden Pkws, das durch den Motorenlärm des Militärkastenwagens und des Traktors hindurchdrang wie die Stimme einer Flöte durch ein kräftiges Trommelsolo. Ich befürchtete das Schlimmste. Und so war es auch. Bevor ich wieder halbwegs freie Sicht hatte, verschwand das Auto schon hinter einer Kurve der langen Hybešova. Und mit ihm zweifellos auch die observierten Objekte. Ich rannte auf die Kurve zu, aber vom Auto fehlte jede Spur. Himmel, Arsch nochmal! Und was für ein Arsch, schwarz und zottelig!

MÄNNERGELÜSTE
    Dan Kočí kehrte zu seinem Posten gegenüber dem Eingang des Mietshauses zurück. Er wartete dort fast über eine Stunde lang, und sein Plan ging auf. Aber sie wurde nicht, womit er vielleicht ein klein wenig gerechnet hatte, mit einem Auto zurückgebracht, sondern kam mit der Straßenbahn.
    Er wog ab, wie er weiter vorgehen solle. Sollte sich nächste Woche wieder alles so abspielen, würde er bereits wissen, dass Lucies Kohabitant (oder vielleicht Kohabitateur?) mit einem Auto eintrifft und dieses dann ein Stück weiter weg, in Fahrtrichtung Altbrünn parkt. Und verdeckt vielleicht von dem ewig dort herumstehenden Brauereilaster. Aber was würde es ihm nützen, das Auto aus der Nähe in Augenschein zu nehmen und sein Kennzeichen und die Fahrzeugidentifizierungsnummer festzustellen? Es war auch schon früher immer sehr schwierig gewesen, vom Verkehrsinspektorat Informationen über einen Fahrzeugbesitzer zu bekommen. Die Polizei arbeitete nur höchst unwillig mit den Privatsherlocks zusammen. Und jetzt, im sozialistischen Paradies, war das gänzlich ausgeschlossen. Er kannte niemanden, der ihm einen Wagen geborgt hätte, mit dem er den beiden dann auf dem Kopfsteinpflasterhätte nachjagen können. Und sich zwecks Verfolgung eines Autos mit einem Liebespaar ein Taxi zu nehmen, war im Brünn der Fünfzigerjahre genauso absurd, wie sich zwecks Erwürgung seiner Schwiegermutter mit dem Ansinnen des Verleihs eines Tigerpythons an den zoologischen Garten zu wenden. Womit das einzig sinnvolle Prozedere war, das auszunutzen, was er schon
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