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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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besser gesagt, Deblingasse. Aber der Rest trifft zu. Ich habe mich mit ihm sowohl im Gestapogebäude in der Veveří als auch in seiner Wohnung in Koliště getroffen.
    Kann man demnach sagen, dass Sie sich oft mit ihm getroffen haben?
    In einem bestimmten, nicht allzu langen Zeitraum traf ich mich ziemlich oft mit ihm.
    Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten nicht gewusst, dass das Blut tschechischer Patrioten an seinen Händen klebt, dass er die Verzeichnisse der Todeskandidaten erstellt, die dann auf dem Schafott enden, im Hof des Kaunitz- Studentenwohnheims. Und Sie sich somit mit einer germanischen Bestie treffen.
    Das habe ich nicht gewusst.
    Wie wollen Sie das nicht gewusst haben, wenn Sie sich ein so hohes Maß an Vertrauen bei ihm verschafften, dass Sie sogar in seiner Wohnung mit ihm zusammengekommen sind?
    Wir haben nie von was anderem als vom Bau seiner Villa in Pisárky gesprochen. Wenn er mir bezüglich der Villa etwas mitteilen wollte, schickte er einen Mittelsmann zu mir. Und wenn er nicht gerade in der Arbeit war, im Gestapogebäude in der Veveří, brachte mich dieser Mittelsmann direkt zu ihm in die Wohnung.
    So, Arbeit nennen Sie das?
    Wie bitte? Jetzt habe ich Ihre Frage nicht verstanden.
    Sie sagten, wenn er nicht gerade in der Arbeit war … Also, die Erstellung von Listen mit fürs Schafott bestimmten Personen, das nennen Sie Arbeit?
    Die haben doch eine ganz andere Einstellung zum Wort Arbeit gehabt, genauso wie zu einer Menge anderer Wörter. Sie wissen doch, dass sie über den KZ-Toren die Aufschrift
Arbeit macht frei
angebracht haben.
    Sie wollen mich also belehren?
    Nein.
    Dann beantworten Sie mir jetzt die Kardinalfrage. Warum haben Sie für diese Villa als Grundriss ein großes Hakenkreuz gewählt?
    Auf Wunsch von SS-Gruppenführer Wagenheim.
    Sie hätten doch ablehnen können. Irgendein Vorwand technischer Natur hätte sich immer gefunden.
    Als ich diesen Auftrag annahm, musste ich ihn mit allem Drum und Dran akzeptieren, daher auch, dass der Grundriss einem Hakenkreuz entsprechen sollte. Einen Rückzieher zu machen, war dann schon unmöglich. Das war kein dummer Mensch, auf irgendwelche Ausreden wäre der mir nicht hereingefallen. Und ablehnen konnte ich nicht, wenn ich nicht das Leben meiner Schwester gefährden wollte.
    Aha, das Leben Ihres Schwesterchens, lächelte Láska. Also wie war das noch mal mit dem Leben Ihrer Schwester?
    Ich glaube Ihnen das schon mehrmals erzählt zu haben.
    Sie wollen mich also wieder belehren?
    Meine Schwester Eliška, Malerin und Grafikerin, fiel der Gestapo in die Hände, weil in ihrem Atelier und aufihrer Druckerpresse irgendwelche Flugblätter vervielfältigt worden waren. Man sperrte sie ein, und sie wäre entweder im KZ oder schnurstracks auf dem Schafott geendet. Und so ging ich zur Gestapo, und dort hat man mich an Günter Wagenheim verwiesen. Der gedachte freilich nicht, sich mit mir zu unterhalten, und das ganze Gespräch hätte ein schnelles Ende genommen, wenn mir nicht der Zufall geholfen hätte. Ich war schon im Weggehen, als eine Sekretärin in der Tür auftauchte und mit einer Nachricht kam, auf die der Gruppenführer offenbar ungeduldig gewartet hatte: Er war Jude, sagte sie, und er ist schon vergast.
    Wagenheim brummte wütend: Wieder ein Jude! Sind denn hier alle guten Architekten Juden?!
    Und so drehte ich mich um in der Tür und sagte, dass ich kein Jude und dabei ein hervorragender Architekt sei.
    Hat Sie jemand gefragt? Aber dann zeigte er auf einen Stuhl. Woher wollen Sie wissen, dass Sie ein hervorragender Architekt sind?
    Ich war bereit, mich meinetwegen für Albert Speer auszugeben, wenn ich dadurch nur weiter mit ihm reden, weiter um das Leben meiner Schwester kämpfen konnte. Und so riskierte ich es und erwiderte dreist: Wollen Sie was bauen? Ich bin allem gewachsen, von der Hundehütte bis zu Opernhäusern oder Eisstadien.
    Ich brauche weder eine Hundehütte noch eine Oper noch ein Eisstadion.
    Aber da war schon klar, dass es mir gelungen war, die Art und Weise unserer Kommunikation zu verändern. Ich hatte sein Interesse geweckt. Und so erfuhr ich, dass er inBrünn heimisch werden wollte (das war noch zu Beginn des Unternehmens Barbarossa, und er glaubte noch an den Sieg des Reichs) und dass er schon ein Grundstück in der Hroznová ulice, der Traubengasse, ins Auge gefasst hatte. Ich bot ihm an, ihm dort die schönste Villa, von der die Welt je gehört hätte, zu errichten, und zwar ohne jedes Honorar, wenn er nur meine
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