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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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aufbewahrt. Ein Rätsel ist natürlich, warum das so undurchdringlich verschlossen ist. Vielleicht hat dort wer seine Vorräte vor irgendwelchen Angreifern bewahren wollen.
    Aber warum hat er sie dann schon versiegelt gelassen, warum hat er den Raum später nicht aufgemacht?
    Nachdem es den Angreifern nicht gelungen war, an seine Vorräte ranzukommen, haben sie vielleicht ihn verschnabuliert. Und vielleicht ist dort ein dreihundertjähriges Vakuum, quasi ein perfektes Konservierungsmittel, versiegelt. Wenn wir das einmal öffnen, werden dieBrünner Fleischgeschäfte überlaufen vor Schweine-, Rind-, Kalb-, Hammelfleisch, aber auch allerlei Wildbret. Die Wälder hier rund um Brünn strotzten damals ja von Hasen, Fasanen, Rebhühnern, Wildschweinen, Rehböcken, Hirschen – und höchstwahrscheinlich auch Damhirschen.
    Wir lachten.
    Aber da kam auch schon die Flasche Sauvignon angegondelt. Der Vorarbeiter kostete, und wir schauten durch das große auf den Mährischen Platz mündende Fenster auf die beweglichen Bilder. Vor dem Kino Scala standen zwei Taubstumme und gestikulierten eifrig. Ein Nonnenzug überquerte die Kreuzung, und die zwei letzten Nonnen trugen gemeinsam einen großen Wäschekorb. An der vorbeifahrenden Straßenbahn war eine große Reklame für irgendein Flaschenbier. Die Bierflaschen hatten Spazierstöcke und steckten in Fracks. Für einen Augenblick war die Zeit stehen geblieben, und mir wurde bewusst, dass diese Bohrer beziehungsweise Mineure ein ganz nettes Völkchen waren.
    Sie überreichten mir einen Helm und eine Weste, und draußen erwartete uns schon ein Lieferwagen, der uns zum nächsten Eingang in einen Primärkollektor, in der Josefská, beförderte. Wir stiegen in den großen Stollen hinab, in dem Leuchtstofflampen leuchteten und die blaue Farbe der an der Wand angebrachten und sich in unterirdische Weiten erstreckenden Konsolen, die zur Einbettung der Versorgungsnetze bereit waren, dominierte. Es rauschte und brauste dort, aber je weiter und tiefer wirgingen, desto schwächer wurde dieses Brausen und Rauschen, anstatt anzuschwellen. Als wir schon sehr lange gegangen waren, fragte mich der Vorarbeiter, ob ich eine Vorstellung davon hätte, wo wir uns jetzt befänden. Genau unter der Kreuzung Bratislavská–Koliště, sagte er und zeigte auf einen blauen Pfosten, auf dem ein Schild mit der Aufschrift „U12AR6“ angebracht war. Alle fünfzig Meter gibt es hier Orientierungshinweise, und so wissen wir immer ganz genau, was über uns ist. Sie haben Glück gehabt, dass Sie einen noch nicht ausgestatteten Kollektor erwischt haben. Nächste Woche würden Sie hier schon über Kabel, Rohrleitungen und Kisten stolpern. Aber ich denke, jetzt gehen wir schon zurück. Und so gingen wir zurück.

POSTSKRIPTUM ODER PELZMUFFE
    Ich eile nur, euch zu versichern, dass es überhaupt nicht so ausgegangen ist, wie ihr vielleicht befürchtet. Ich habe sie beizeiten aus dem Muff herausgeführt, ihre Namen leicht verändert und sie in glücklichere Kapitel anderer Romane von mir versprengt. Den leeren Pelzmuff habe ich dann aus dem Untergrund herausgeholt und in den Schrank von Petr Luňák, Rundfunkredakteur, gehängt. Der wird vielleicht im ersten Moment erschrecken, sich dann aber erinnern, was für eine ulkige Bande er zur Feier seines Dreißigers dort hatte, und einem von ihnen hat er bestimmt irgendwann erzählt, wie er sich als Kind immer fürchtete, in Muffen würden Geister wohnen. Der Muff ist ziemlich gut erhalten, und er wird ihn daher wahrscheinlich seiner Freundin schenken, und wenn dann endlich wieder ein strenger Winter anbricht, wird der Muff gelegen kommen. Und siehe da, vielleicht wird er so in Brünn schon für den nächsten Winter einen neuen Modetrend begründen, die Gassen werden voll Mädchen mit Muffen sein. Und dann wird sich vielleicht jemand an einen gewissen Roman erinnern und nicht mehr im Kopf haben, dass es eigentlich ein hässlicher Roman über die schlimmen Fünfzigerjahre war, sondern sich daran als an eine herzige Geschichte über Pelzmuffe erinnern. Und was kann ein Romanschriftsteller sich mehr wünschen?

Beendet am 30. November 2008
    Der Autor dankt aus ganzem Herzen
    M.U.Dr. Jan Šlesinger, der ihm mit der Geburt
    des Eduard Láska geholfen hat.







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