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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Balkon hängt vor Taubendreck geradezu durch. Er macht schnell wieder zu, weil er nicht bereit ist, da drin rumzuwühlen.
    Gegenüber vom Balkon ist das Badezimmer, ohne Fenster und mit einer großen Wanne und gewellter Zimmerdecke. Slín und Kudláček setzen sich dort mit ihren Gerätschaften hin und sondieren wie wild, doch fortwährend ohne jedes Ergebnis. Als dann aber Kudláček mit einem wütenden Ruck (er tobt, weil ihm die Intuition in dem Moment, als er den Schlüssel ins Schloss unter dem Messingschild mit Modráčeks Namen geschoben hat, versichert hat, eine große Beute würde sie erwarten, und bis jetzt bitte … Taubendreck) die Küchentür öffnet: gleich dahinter am Boden ein vollgestopfter Rucksack. Schon auf den ersten Blick steif,und als sie ihn aufzuheben versuchen, schwer wie ein Schlachtschwein.
    Aber sowie sie den Rucksack öffnen, sehen sie sofort, dass sie jetzt wirklich den Hasen an den Ohren gepackt haben.
    Hilf mir, frohlockt Kudláček, und dann schleifen sie den Rucksack in die Mitte der Küche, um dort um ihn herum ein Siegestänzchen machen zu können, wahrscheinlich einen Redowa oder einen Zittertanz (also was Bodenständiges), aber gewiss keine Sarabande. Bis ihnen von all dem schwindlig wird und sie einander in die Arme fallen, wo sie sich sogleich auf Genossenart – wer könnte dem jetzt widerstehen – umarmen und küssen.
    Ich glaube, wir haben den Modráček ziemlich unterschätzt, Genossen. Es ist höchste Zeit, das sehr laut zu sagen. Alles deutet darauf hin, dass er irgendeinen Plan hatte, wie er verduften, palisieren könnte.
    Ich würde gerne darauf hinweisen, dass nicht alle Genossen hier aus Brünn sind, und darum sollten wir uns mäßigen mit diesem Brünner Slang.
    Ich entschuldige mich, ich wollte sagen, dass Modráček höchstwahrscheinlich irgendeinen Plan hatte, wie er sich aus dem Staub machen könnte.
    Also da kann ich mir aber nicht vorstellen, wie er diesen Sack mit dem Gold und dem Schmuck mitgeschleppt hätte, der sich in der Küche fand. Und wie er damit dann unserem Spitzel entkommen wäre.
    Wer es versteht, hinter dem Rücken des werktätigen Volks so einen Rucksack zusammenzuraffen, einen solchenGoldschatz, der hätte sich bestimmt auch damit zu helfen gewusst, wie er sich nachher verdrücken könnte. Pardon, wie er damit verschwindet. Unterschätzen wir die Klassenfeinde nicht, Genossen. Er hatte den Rucksack parat, und wenn er nicht den Unfall gehabt hätte, wäre er mit ihm jetzt schon höchstwahrscheinlich irgendwo in Kanada. Vergessen wir nicht, dass uns Stalin ans Herz gelegt hat, dass sich in Zeiten des sich vollendenden Aufbaus des Sozialismus der Klassenkampf nicht legt, im Gegenteil, er breitet sich aus und verstärkt sich. Hast du das, Genossin?
    Also mich würde zum Beispiel interessieren, wie ist der Kontakt zwischen Modráček und den Kratochvils gewesen? Sie haben doch im gleichen Stockwerk gewohnt. Wenn beide auf einen Schlag die Tür zum Gang geöffnet hätten, hätten sie sich in die Suppen spucken können. Wer hat was dazu zu sagen?
    Ich zum Beispiel. Praktisch kein Kontakt. Wir hatten die Kratochvils ständig im Visier. Und obwohl wir Modráček auch zu ihrer Beschattung angeworben hatten, mied er sie wie alle im Haus. Darüber haben wir ausführliche Aufzeichnungen.
    Heute ist womöglich schon klar, dass wir die falsche Seite überwacht haben. Die Überwachung der Kratochvils war langweilig, überhaupt keine Kontakte, nichts Besonderes. Schlussfolgerung: Wir hätten die gegenüberliegende Wohnung überwachen sollen, den Modráček!
    Ein Rätsel wird auch bleiben, wer die zwei weiteren verkohlten Körper sind. Wir haben nicht die Instrumente, um das festzustellen.
    Die sozialistische Wissenschaft arbeitet schon daran, dass sie einmal aus einem bloßen Knöchelchen des menschlichen Körpers den Besitzer dieses Knöchelchen bestimmen kann.
    Auch aus einem verkohlten Knöchelchen?
    Auch aus einem verkohlten Knöchelchen, Genossen. Hast du das, Genossin?
    Und jetzt zeig mir, wie man zum Beispiel den Namen vom Genossen Skočdopole hier schreiben würde? Und könntest du chosrastschot – wirtschaftliche Rechnungsführung schreiben, Genossin? Oder zum Beispiel … zum Beispiel Lipocarapus?
    Wie, was? Es existiert kein Lupo … carabus oder was.
    Sekkier sie nicht, du Rindvieh! Dass du nicht scheißt auf ihn, Genossin … Aber warte, ich diktier dir jetzt eine sehr schöne Sache … Ich muss mich nur erinnern. Ich hab’s schon, Genossin!
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