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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Kann ich?
    Aus stürmischer Zeit sind wir gebor’n
    und in Gewitterwolken schreiten wir,
    entgegen einem stolzen hehren Ziel,
    den Nacken beugend nur vor unser’m Volk …
    mit diesem Volk, so rein, so klar,
    als käm’ es grad aus Gottes Schöpferhand,
    die Brust bis heute voll vom lohenden Idol,
    wär’s auch vor Jahrhunderten schon dafür gefallen!
    Hast du das, Genossin? Na, zeig her. Erstaunlich, was?! Das rührt mich jedes Mal. Diese Lümmel machen sich da drüber lustig, aber du verstehst mich, Genossin. Stenografie,sagst du, Genossin? Ich werde darauf bestehen, dass sich meine Frau auch darin ausbildet …
    (Aber überhaupt niemand lacht. Alle stehen oder sitzen jetzt da, starr vor Ergriffenheit.)

DIE VERTRETUNGEN DES PETR LUŇÁK, RUNDFUNKREDAKTEUR
    Thomas hatte mich gleich am Morgen zu sich kommen lassen. In der linken Hand hielt er eine nicht angezündete Zigarette, und dann schob er sie sich langsam zwischen die Lippen, und mit der rechten Hand griff er langsam nach dem Feuerzeug und näherte es langsam der Zigarette. Aber in diesem Moment zog er die Zigarette mit der linken Hand langsam wieder heraus, entfernte sie vom Feuerzeug und legte mit der rechten das Feuerzeug auf den Tisch, neben die Tastatur des Notebooks, und steckte die Zigarette in die Packung zurück, um sie nach einem kleinen Moment langsam wieder aus der Schachtel herauszuziehen und sie eine Weile nicht angezündet in der Hand zu halten, bevor er sie wieder langsam zwischen die Lippen schob. Und dieses komplizierte Manöver wird er in einem fort wiederholen, die ganze Zeit, in der er mit mir reden wird. Ja, vermutlich den ganzen Tag lang, vom Aufwachen bis zum Einschlafen, aber dabei habe ich noch den Verdacht, dass seine beiden Hände, die Zigarettenwie die Feuerzeughand, selbst im Schlaf auf ihren Bahnen wandern werden.
    Was ist, Petr? Willst du auch eine Zigarette?
    Du weißt doch, dass ich nicht rauche.
    Dann setz dich. Ich hab’ nämlich zwei schlechte Nachrichten für dich. Welche willst du zuerst,
die
schlechte oder
die
schlechte?
    Also da kann man sich ja kaum entscheiden. Aber damit ich nicht draufzahl’, zuerst die eine schlechte.
    Wie du vielleicht weißt, ist die Musikredaktion heute unbesetzt. Und dabei muss ein Interview mit der Komponistin Anna Fraccaroli gemacht werden. Nein, das hat nicht Zeit bis morgen. Morgen wird sie schon in Prag sein.
    Vermutlich ist sie Italienerin, oder? Du weißt doch, wie’s bei mir mit Sprachen ausschaut. Und von Musik versteh’ ich einen feuchten Dreck.
    So schlimm, wie’s aussieht, ist es auch wieder nicht.
    Anna Fraccaroli stammt nämlich aus Brünn. Und das große Interview über Musik wird mit ihr heute Nachmittag das Fernsehen machen. Sodass du mit ihr nur ein bisschen übers Leben plaudern wirst. Aber du musst zu ihr ins „Häuschen“ kommen. Sie wird dich dort vor zehn erwarten.
    Und das ist, bitte, was, das „Häuschen“?
    Eine ausgelagerte Einrichtung der dermatologischen Abteilung des Militärkrankenhauses. Wie dir vielleicht nicht bekannt ist, steht das Militärkrankenhaus, nachdem unsere Armee ausschließlich auf Berufssoldaten zusammengeschrumpelt ist, Zivilisten zur Verfügung. Und das „Häuschen“ befindet sich direkt gegenüber der Badeanstalt in Zábrdovice. Anna Fraccaroli ist dort operiert worden. Sie hat nämlich in Brünn einen Schulfreundgetroffen, und der ist Dermatologe und bemerkte daher sofort, dass sie Unmengen von Muttermalen hat, er hat sie in seine Praxis mitgenommen und ein Basaliom bei ihr gefunden. Das ist ein gutartiges Hautgewächs, das jedoch zu einem bösartigen werden kann. Was siehst du mich so an? Alle diese Informationen habe ich über Telefon und Mail herausgefunden. Siehst du, ich hab’ dir schon ein Stück Arbeit abgenommen. Also geh und erledige den Rest. Um zehn wird sie entlassen.
    Und was ist mit der zweiten schlechten Nachricht?
    Richtig, die dürfen wir nicht vergessen. Die Martinková von den Nachrichten ist in Mallorca und die Slavíčková von den Nachrichten mit Blinddarmentzündung im Krankenhaus. Also wirst du anschließend noch zu einer weiteren Vertretung müssen. Zu einem schon vereinbarten Interview über die Kollektorensysteme unter dem historischen Stadtkern Brünns.
    Aber Kollektoren, das ist so was wie Kanalisation, nicht wahr?
    Nicht so ganz, aber es ist auch unter der Erde.
    Hör mal, Chef, sind wir nicht zufällig eine Literaturredaktion?
    Erraten. Aber das nützt dir nichts.
    Das „Häuschen“ sah aus, wie
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