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0043 - Der Vampir von Manhattan

0043 - Der Vampir von Manhattan

Titel: 0043 - Der Vampir von Manhattan
Autoren: Walter Appel
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Frank Harper zitterte, obwohl der Sommerabend mild und warm war. Unschlüssig ging er am Washington Square mitten in Greenwich Village auf und ab. Er rauchte eine Zigarette nach der andern, er nahm seine Umgebung kaum wahr.
    Greenwich Village war das Künstlerviertel New Yorks. Vom Hudson River bis zur 4. Avenue, von der Houston Street bis zur 14. Straße erstreckte es sich. Hier gab es keine Hochhäuser, sondern geräumige, ehemalige Villen, die zu Apartmenthäusern umgebaut worden waren, viele Künstlerkneipen, kleine Cafés und Restaurants, Clubs, Jazzkeller und alle möglichen Geschäfte.
    Pflastermaler waren auch jetzt am Abend noch in ihre Tätigkeit versunken. Im Washington Square Park lagerten langhaarige Hippies auf dem Rasen, rauchten Marihuana und diskutierten über den Lauf der Welt und wie man das Leben auf Erden verbessern könnte.
    Eine ungezwungene Atmosphäre herrschte. Die Skyline der Hochhäuser und Wolkenkratzer im Hintergrund erschien wie eine andere Welt.
    Der junge Mann konnte sich nicht entschließen, in das Haus am Waverly Place 85 hineinzugehen. Er hatte das Gefühl, daß er damit einen unwiderruflichen Schritt unternahm. Dabei hatte er jahrelang nachforschen müssen, um dieses Haus zu finden. Ein innerer Zwang, der ihn schon von Kindheit an immer wieder heimsuchte, trieb ihn her.
    Zwei widerstrebende Kräfte rangen in Frank Harper.
    Der junge Mann warf wieder eine Zigarettenkippe weg und wandte sich einem kleinen Ecklokal zu. Frank Harper war groß und kräftig gebaut. Er hatte lockiges braunes Haar, ein sympathisches Gesicht und ein Grübchen am Kinn. Mit seinem bunten Hemd, der leichten Freizeitjacke und den Jeans unterschied er sich nicht von Hunderten von anderen jungen Leuten.
    Im Lokal schlug ihm verräucherte Luft entgegen. Die Musikbox dröhnte, und zum Teil recht verwahrloste Gestalten drängten sich am Tresen oder hingen mehr an den Tischen, als daß sie saßen. Normalerweise hätte Frank Harper ein solches Lokal nicht aufgesucht.
    Er zwängte sich an einen noch »freien« Stehplatz an der Theke und bestellte bei dem schmuddligen Wirt einen doppelten Whisky. Pur. Das Glas war nicht gerade sauber, aber der Wirt goß reichlich ein.
    Frank kippte den Doppelten mit einem Schluck, das Zeug brannte in der Kehle wie Feuer und ließ ihn die Augen aufreißen. Das Etikett auf der Flasche war glatt gelogen. Der Wirt hatte irgendeinen Rachenputzer eingefüllt, den er jetzt als Johnnie Walker verkaufte.
    Frank lehnte einen zweiten Whisky ab und bezahlte einen überhöhten Preis. Ein dürrer junger Mann mit den übergroßen Augen eines Rauschgiftsüchtigen bettelte ihn an.
    »Ich habe seit drei Tagen nichts mehr gegessen. Gib mir einen Dime.«
    Das war ein Vierteldollar. Frank schob den Junkie zur Seite, der hinter ihm auf den Boden spuckte, und verließ das Lokal. Den Kopf zwischen die Schultern gezogen, ging er auf das Haus Waverly Place 85 zu. Wenn er sich noch länger herumdrückte, nützte es auch nichts, und der Fusel änderte nichts.
    Er mußte in dieses Haus, er mußte sich davon überzeugen, ob das, was er in Erfahrung gebracht hatte, der Wahrheit entsprach. Frank Harper trug ein Allzweck-Messer in der Tasche. Damit wollte er das Geheimfach in der Täfelung an der in dem alten Dokument beschriebenen Stelle öffnen.
    Frank zögerte nicht mehr länger. Es war weniger sein eigener Entschluß, der ihn trieb. Ihm ging es wie jemandem, der in einen Sog hineingezogen wurde, dem er sich unvorsichtigerweise zu sehr genähert hatte.
    Die dreistöckige Villa mit der Stuckfassade, den Balkonen und Erkern und dem breiten Treppenaufgang zur Haustüre war für amerikanische Verhältnisse sehr alt. Aber hervorragend renoviert.
    Der junge Mann klingelte bei der Mietpartei im ersten Stock, zu der er wollte, und eine Frauenstimme meldete sich über die Sprechanlage, Frank nannte seinen Namen, er hatte sich telefonisch angemeldet.
    »Ah, Mister Harper. Mein Mann und ich sind schon sehr gespannt. Bitte, kommen Sie doch herein.«
    Der Türöffner summte, Frank trat in ein sehr geräumiges Treppenhaus, stieg die Treppe hoch und wandte sich im ersten Stock zu der Wohnung rechts. Eine hübsche Frau um die Dreißig mit dunklem Haar und ausgeschnittenem tiefrotem Cocktailkleid hatte die Wohnungstüre bereits geöffnet.
    »Hallo, Mister Harper, ich bin Daisy Munro. Mein Mann und ich fürchteten schon, Sie würden nicht mehr kommen.«
    »Entschuldigen Sie bitte, ich habe mich verspätet.«
    »Das kann passieren.
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