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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind
Autoren: Doris Bezler
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Stockwerke über ihr wohnte, mit dem Kinderwagen nicht zur Haustür hinauskam. Maren entschuldigte sich und räumte hastig einiges beiseite. Dabei brachen die Pflanzen durch den inzwischen aufgeweichten Boden des Pappkartons. Nachdem Maren der Frau geholfen hatte, den Kinderwagen über dieses Chaos zu tragen, machte sie sich an die weiteren Aufräumarbeiten. Ihre Laune war inzwischen unter den Nullpunkt gesunken.
    Als sie die Tür zu ihrer Wohnung öffnete, rannte ihr Garfield, der rot-weiß getigerte Kater, entgegen und maunzte herzzerreißend.
    »Jaja, ich weiß, du hast heute noch nichts bekommen.« Maren seufzte und beeindruckte damit den Kater wenig. Garfield maunzte weiter. Er rieb sich an ihren Beinen und brachte sie mehrfach zum Stolpern. Daher lud sie ihre Einkäufe erst einmal auf dem Küchentisch ab, nahm eine Dose Katzenfutter aus dem Schrank und stutzte. Sie war sich sicher, dass gestern noch zwei weitere Dosen dort gestanden hatten, und schüttelte verständnislos den Kopf. Garfield fiel über das Futter her, und Maren beobachtete ihn nachdenklich. Sie hatte am gestrigen Sonntag das Haus bereits am Nachmittag verlassen, um ihrer Freundin Sybille beim Vorbereiten eines kleinen Abendessens zu helfen, das diese anlässlich ihres Geburtstages gegeben hatte.
    Sybille wohnte nicht weit von hier, in der Comeniusstraße, und Maren war zu Fuß gegangen. Nach der Party hatte sie allerdings nicht allein nach Hause laufen wollen und war bei Sybille und Harry geblieben. Heute Morgen war sie gar nicht erst in ihre Wohnung gegangen, sondern gleich zu ihrem Auto, um erst einmal einkaufen zu fahren. Konnte in der Zwischenzeit jemand die Wohnung betreten und Garfield gefüttert haben, oder hatte sie die Menge des vorhandenen Katzenfutters einfach falsch in Erinnerung? Eigentlich war das nichts, worüber man länger nachdenken müsste. Nur schienen sich Vorkommnisse dieser Art in letzter Zeit zu häufen. Der Fernseher, der auf »Stand-by« stand, obwohl sie ihn ausgeschaltet hatte. Die Klospülung, die nur dann endlos nachlief, wenn man sich nicht eines kleinen Tricks bediente, den nur Maren und Julia kannten. Der aufgegessene Lieblingsjoghurt. Kleine Geldbeträge, die verschwanden. Gab es hier einen unbekannten Dritten, der für diese Vorkommnisse verantwortlich war, oder konnte man das alles mit der üblichen Alltagsvergesslichkeit erklären? Maren versuchte, sich zu beruhigen. Sie war nun mal ein sehr vorsichtiger Typ. Und manchmal hörte sie einfach das Gras wachsen. Sie selbst verließ nie die Wohnung, ohne vorher zu überprüfen, ob alle Geräte ausgeschaltet und alle Fenster geschlossen waren. Aber schließlich war da noch Julia, die mit allem wesentlich großzügiger umging. Wie oft ließ sie Licht brennen, Türen unverschlossen oder kippte die Fenster.
    »Meine Mama ist unsere Sicherheitsministerin«, hatte Julia einmal gesagt. »Wenn wir aus der Wohnung gehen, kontrolliert sie immer, ob wir den Schlüssel auch zweimal umgedreht haben, seit sie in einem Fernsehkrimi gesehen hat, dass man die Tür sonst ganz einfach mit einer Scheckkarte aufkriegt.«
    Maren musste schmunzeln, als sie an Julia dachte, die sich jetzt irgendwo an einem sonnigen Strand aalte und ihren Vater zutextete. Rolf, Marens Ex-Mann, arbeitete bei einer Bank in London. Maren und er waren seit vier Jahren geschieden. Plötzlich begann ihr Herz, wie wild zu klopfen. Voller Konzentration versuchte Maren, sich an jede Bewegung zu erinnern, die sie vorhin beim Betreten der Wohnung gemacht hatte. Durch das geriffelte Türglas hatte sie schemenhaft die Umrisse des bettelnden Katers gesehen und sein Geschrei gehört. Mit einer Hand hatte sie die Tür geöffnet, mit der anderen gleich die Einkaufstasche in den Spalt geschoben, um den Kater zurückzudrängen. Sie wiederholte den Vorgang noch einmal in Gedanken und ließ ihn vor ihrem inneren Auge Revue passieren: Rechte Hand dreht Schlüssel im Schloss – klick – und drückt die Tür auf. Linke Hand schiebt die Tasche in den Türspalt. Maren erstarrte. Das ging normalerweise nicht so einfach! Das Schloss klemmte immer dann, wenn der Schlüssel ein Mal umgedreht worden war. Einzige Erklärung: Das Türschloss war nur zugeschnappt gewesen! Julia als Unsicherheitsfaktor fiel aus. Und sie selbst? Hatte sie gestern vor lauter Vorfreude auf das Fest die Tür beim Verlassen der Wohnung nur ins Schloss fallen lassen? Wieder drängte sich ihr heiß der Verdacht auf, dass jemand in der Wohnung gewesen sein
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