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Das verräterische Tonband

Das verräterische Tonband

Titel: Das verräterische Tonband
Autoren: Carter Brown
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danke«, sagte ich.
    Ich
ließ mich auf einem eigenartig geformten Sessel aus Palmenholz nieder, der
aussah, als sei er für einen Mandarin entworfen worden, wahrscheinlich aber aus
dem Hinterzimmer einer dieser Chichi-Kunstläden unten in einem der Hotels am Wishire Boulevard stammten. Die Wohnung des Doktors lag im
elften Stock eines neuerbauten Wolkenkratzers, und das Innere hatte etwas
entschieden Orientalisches, einschließlich des über dem imitierten Kamin
angebrachten Ölgemäldes eines aus einer Wolke heraus feuerspeienden Drachen.
    Der
Doktor kehrte mit den gefüllten Gläsern vom Barschrank zurück, reichte mir
meinen Bourbon und ließ sich seinerseits mir gegenüber in einem
Palmenholzsessel nieder.
    »Armer
alter Herman«, sagte er als Einleitung. »Ich war bei diesem Jagdausflug, als
sich der Unfall ereignete, mit ihm zusammen. Ich weiß noch immer nicht, ob ich
überhaupt je wieder jagen werde .«
    »Wie
ist es eigentlich passiert ?« fragte ich höflich.
    »Wir
wurden im Wald getrennt«, sagte er bedächtig. »Herman war ein Anfänger — zum erstenmal auf einem Jagdausflug — , aber es war schon der dritte Tag, und ich glaube, er war irritiert wegen all
der guten Ratschläge, die ich ihm an den beiden vorhergehenden Tagen erteilt
hatte!« Er lachte düster. »Zwei Psychiater, die beisammen sind, sollten mehr
miteinander anfangen können, als einander über alles und jedes gute Ratschläge
zu erteilen! Am dritten Tag also bestand Herman darauf, allein wegzugehen. Ich
versuchte, es ihm auszureden, aber er war ziemlich kurzangebunden; und ich
merkte, daß er fest entschlossen war. Wir verließen das Jagdquartier gegen acht
Uhr morgens und trennten uns dann. Ich erfuhr erst von dem Ganzen, als der
Jagdeigentümer gegen elf Uhr dreißig angekeucht kam und mir erzählte, es habe
sich ein Unfall ereignet. Einer der anderen Jäger war vor etwa einer Stunde
fast über Hermans Leiche gestolpert. Der Jagdeigentümer hatte so lange
gebraucht, um mich zu finden .«
    »Was
war ihm denn zugestoßen ?« bohrte ich weiter.
    »Er
hatte einen Schuß in den Hinterkopf erhalten. Der Polizeiarzt legte die Zeit
auf ungefähr neun Uhr dreißig fest. Er wurde in einem dichten Gebüsch liegend
aufgefunden. Wissen Sie, so etwas passiert verdammt oft. Irgendein Dummkopf mit
einem Gewehr in der Hand sieht, wie sich irgend etwas vor ihm bewegt, und ballert los, bevor er auch nur eine Ahnung hat, ob es sich
um Wild handelt oder nicht.«
    »Hat
man herausgefunden, wer es getan hat ?«
    »Nein.«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Die Polizei hat alle Leute vernommen, die sich
in diesem Gebiet aufgehalten haben konnten, aber das Geschoß paßte in keins der Gewehre. Der mit den Nachforschungen
beauftragte Beamte schien anzunehmen, daß derjenige, der den armen Herman
erschossen hatte, entdeckt haben mußte, was er angerichtet hatte, und mußte
daraufhin entweder schnellstens aus dem Gebiet verschwunden und gleich weiter
weggefahren sein oder sein Gewehr irgendwo versteckt haben, wo es niemand
findet.«
    »Scheußlich !« sagte ich. »Ein Mann stirbt, und der Verantwortliche für
seinen Tod läuft einfach davon .«
    »Ja.«
Die braunen Augen betrachteten abschätzend mein Gesicht, während der größte
Teil der Wärme aus ihnen verschwand. »Wieso interessieren Sie sich eigentlich
so sehr für Hermans Tod, Mr. Holman ?«
    »Ich
habe eine Kundin, die Patientin bei ihm war«, sagte ich. »Er pflegte
Tonbandaufnahmen von den Sitzungen zu machen, während die Patienten auf seiner
Couch lagen. Diese Tonbänder sind seit seinem Tod verschwunden, und sie möchte
das ihre haben .«
    »Oh!«
Er zog eine Grimasse. »So schlimm ist es? Vermutlich Erpressung?«
    »Wer
weiß ?«
    »Es
tut mir leid, ich wollte, ich könnte Ihnen helfen .« Er
zuckte leicht die Schultern. »Aber natürlich pflegte Herman nicht über seine
Patienten und deren Probleme zu sprechen. Ich habe keine Ahnung...«
    »Er
war eine Art Voyeur«, unterbrach ich ihn kalt. »Er benutzte die Tonbänder dazu,
sie immer und immer wieder abzuspielen — zu seinem eigenen Vergnügen. Wußten
Sie das ?«
    »Herman?«
Seine Verblüffung schien echt. »Ganz gewiß nicht! Sind Sie da sicher ?«
    »Ich
habe es von jemandem, der am allerzuständigsten ist .«
    »Der
am... Oh, Sie meinen von Karen Reiner, seiner Witwe ?«
    »Stimmt !«
    Er
rieb sich flüchtig mit der Innenfläche seiner Hand die Augen und sah mich dann
mit offenem Widerwillen an. »Ich würde dem, was Karen Ihnen erzählt,
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