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Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer

Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer

Titel: Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
Autoren: Mark Robson
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alte Mann hatte dort ein oder zwei Wochen zu tun, bevor er weiterreiste, und so würde der Junge genug Zeit haben, sich alles noch einmal zu überlegen, bevor er sich allzu weit von seiner Heimat entfernte.
    Perdimonn war sehr schnell klar gewesen, dass Calvyn Ablenkung brauchte. Nach einer angemessenen Trauerzeit lockte er den Jungen deshalb mit der Faszination der Magie. Mit nie nachlassender Geduld gelang es ihm schließlich, Calvyn aus seiner Versunkenheit zu holen.
    Calvyn war nicht vollkommen blind vor Trauer und fragte sich selbst im tiefsten Kummer, was Perdimonn bewegte, einen verwaisten Halbwüchsigen in die Geheimnisse der Magie einzuweihen. Sorgfältig suchte er in Perdimonns Miene und Worten nach einem Hinweis, der auf etwas anderes deuten könnte als freundliche Fürsorge – doch er fand nichts. Langsam wurde ihm klar, dass ihm Glück im Leid beschert, mit einer Hand genommen und mit der anderen gegeben wurde. Als er das erst begriffen hatte, nahm Calvyn das Angebot des alten Mannes mit offenen Armen an, und seine Begeisterung für den Unterricht ließ ihn den Schmerz tief in seinem Herzen vergraben.
    Zuerst einmal musste Calvyn lesen und schreiben lernen,
denn in seinem Dorf war es immer nur um die Feldarbeit gegangen. Nur damit sie sich selbst versorgen konnten, hatten ein paar Bauern einige grundlegende Fähigkeiten wie Schreinern und Weben erlernt, und der alte Korvan hatte in seiner Jugend eine Lehre als Schmied gemacht. Man war allgemein der Meinung, es sei nicht nötig, lesen und schreiben zu können, da doch allein die harte körperliche Arbeit und ein ordentliches Leben das Ziel eines jeden Bauern darstellten.
    Perdimonn erkannte schnell, dass Calvyn äußerst vage Vorstellungen von der Geografie des Königreichs Thrandor und der benachbarten Reiche hatte. Zudem kannte der Junge zwar viele Balladen und Sagen, die von den Minnesängern gesungen wurden, aber Kenntnisse der realen Geschichte waren bei ihm quasi nicht vorhanden. Aus diesem Grund erteilte Perdimonn Calvyn täglich Unterricht im Lesen und Schreiben, und als der Junge Fortschritte zeigte, gab er ihm Geschichtsbücher. Die beiden studierten gemeinsam Landkarten, und Calvyn war immer wieder erstaunt, wie weit sein neu gefundener Freund und Lehrer gereist war.
    Die ersten Monate stellten für den alten Reisenden eine Art Probezeit dar. Perdimonn war jahrelang allein unterwegs gewesen. Er war es gewohnt, frei wie ein Vogel umherzureisen und seine Dienste und Waren dort anzubieten, wo er wollte. Die plötzliche Last der Verantwortung lag ihm schwer auf den Schultern. Er war stark versucht, Calvyn im Waisenhaus von Chantiss oder auch beim zuständigen Baron abzugeben, der gesetzlich verpflichtet war, den Jungen mit Essen und Kleidung zu versorgen. Aber er konnte sich dann doch nicht überwinden, so hartherzig zu handeln. »Außerdem«, dachte er, »ist der Junge vielleicht ein guter Begleiter und kann mir bei den schweren Arbeiten
helfen, die mir in den letzten paar Jahren immer mehr Mühe gemacht haben.« Mit der Zeit würde sich schon zeigen, ob es Calvyn mit dem Erlernen der Magie ernst war, und bis dahin könnte er ihm zur Hand gehen.
    Calvyn seinerseits war dem alten Mann dankbar für seine Unterstützung, und nachdem er seine anfängliche Scheu überwunden hatte, widmete er sich seinen Aufgaben und dem Lernen mit tiefer Hingabe. Sogar wenn er Feuerholz spaltete oder Wasser holte, sagte er das Alphabet auf und stellte sich vor, wie die Gegenstände um ihn herum als geschriebenes Wort aussahen.
    In den zwei Jahren war Calvyn ein gutes Stück gewachsen, und nicht nur in die Höhe. Seine Statur war kräftiger und muskulöser geworden. Sein wacher Verstand hatte die Ausbildung schneller fortschreiten lassen, als Perdimonn anfangs für möglich gehalten hatte. Calvyn konnte die Gemeinsprache fließend lesen und schreiben und hatte vor Kurzem begonnen, die Runenschrift zu erlernen, in der alle magische Texte verfasst waren. Die Unterrichtsstunde an diesem Abend war jedoch ein großer Moment für Calvyn. Sie würde den Abschluss von zwei Jahren zermürbender Theorie bilden, denn Calvyn sollte seinen ersten Spruch erlernen.
    Vieles von dem, was Perdimonn ihm vorher eingetrichtert hatte, war dem ungeduldigen Jungen vollkommen nutzlos erschienen.
    »Warum muss ich die Gemeinsprache lesen und schreiben können, wenn alle Zaubersprüche in Runenschrift abgefasst sind?«, hatte er eines Abends gefragt, nachdem er sich durch einen besonders
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