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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
Autoren: Steven Knight
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beobachtete währenddessen, wie ich taumelte und mit dem Kopf gegen das Brückengeländer schlug, dass es knackte.
    Dann war der Löwe über mir. Emma hing an seiner Kehle. Gullkin packte mit beiden Händen sein Schwert, um es mit voller Kraft in meine entblößte Brust zu stoßen. In diesem ganzen Getümmel fiel mir Gullkins elegant beschuhter Fuß ins Auge. Ich nutzte meine unglückselige Bauchlage, um danach zu greifen, und zog, so fest ich konnte. Gullkin verlor den Halt, sein Ledergürtel blieb an einem Nagel hängen und am Ende baumelte er hilflos über dem Rand der Brücke, sein Fuß immer noch in meiner Hand.
    Gleichzeitig konnte ich dem Löwen mein Schwert in den Bauch stoßen; er brüllte vor Schmerzen. Trotzdem verging kaum der Bruchteil einer Sekunde, bis sich mein Gegner in Gestalt eines Geiers wieder erhob, wenn auch unter seinem Flügel Blut aus einer Wunde sickerte. Immerhin hatte ich nun Gullkin in der Hand, der in meinem Griff siebzig Meter über der dicken Eisschicht hing. Leider verwandelte er sich schon wieder, und im nächsten Moment hatte ich nur noch eine Möwe in der Hand. Sie pickte so lange nach mir, bis ich sie loslassen musste.
    Emma und ich standen nun wieder dicht beieinander, da hörten wir einen Warnruf aus der Menge. Aber es war zu spät. Der Geier fuhr zwischen uns und wir stürzten über den Rand der Brücke auf die siebzig Meter unter uns liegende Eisschicht zu.
    Nach einem Blick auf meine Handfläche merkte ich, dass mein Wolf-Tattoo bereits die Gestalt einer Schwalbe annahm. Mit Emmas Wolf passierte das Gleiche und schon waren wir Schwalben im Flug. Unter uns sah ich eine Möwe und einen Falken, die uns mit aufgesperrten Schnäbeln verfolgten. Die Möwe schoss mit angelegten Flügeln auf mich zu. Mir blieb nichts übrig, ich musste mich noch einmal verwandeln. Als ich auf dem Eis landete, fand ich mich plötzlich in menschlicher Gestalt wieder: Ich schlitterte über die Eisfläche wie der Puck beim Eishockeyspiel und wehrte dabei den Falken mit den Fäusten ab. Neben mir kam Emma schlitternd zum Stehen. Der Falke war verschwunden.
    »Alles in Ordnung, Emma?«, fragte ich.
    »Alles bestens. Bis auf die Tiger«, sagte Emma.
    »Welche Tiger?«
    Gullkin und Earl Hawkin stürmten als große weiße Tiger über das Eis auf uns zu. Mit meinem Schwert wehrte ich ihre Attacke ab, bis Blut aufs Eis tropfte. Es gefror augenblicklich.
    Als die Tiger zum zweiten Mal angriffen, traten wir ihnen als Wölfe entgegen, knurrend und drohend, und die Runde blieb vorerst unentschieden. Die Menge um uns tobte und schrie, während die Tiger und wir einander auf engem Raum umkreisten, blutend, hechelnd, jeder auf einen Augenblick der Schwäche des andern lauernd. Ich spürte, dass meine Kräfte wuchsen. Sie stiegen wie eine starke Wellenbewegung aus dem Jerlamar, das unter dem Vulkan strömte, und erfüllten meinen ganzen Körper. Das Gefühl machte mich mutig.
    Da hatte ich eine Idee. Ich wusste nicht, ob ich schon so weit war, sie umzusetzen, aber ich wusste noch gut, dass Doktor Felman mir immer wieder eingeschärft hatte, ich müsse mir nur selbst vertrauen. Unvermittelt sprang ich hoch, flog als Schwalbe in die Luft und landete einen Augenblick später auf dem Eis hinter den Tigern – und zwar als Mensch mit dem Schwert in der Hand. Den Tigern blieb keine Zeit für eine Wendung, und so konnte ich dem nächststehenden einen kräftigen Hieb auf den Hals verpassen. Ich hatte gut getroffen, der Tiger heulte auf und sackte auf dem Eis zusammen. Als sich nun der zweite Tiger auf mich stürzte, flog ich als Schwalbe aus seiner Reichweite und landete als Mensch neben Emma.
    Die Menge war jubelnd aufgesprungen und applaudierte zu meinem raffinierten Schachzug. Während der verwundete Tiger schnell Blut verlor, verwandelte er sich langsam wieder in seine ursprüngliche Gestalt. Welchen der beiden hatte ich wohl getroffen? Es dauerte nicht lange, da sah ich den plumpen Körper von Earl Hawkin bewusstlos auf dem Eis liegen. Obwohl er noch lebte, war ich überzeugt, dass ich ihn zumindest kampfunfähig gemacht hatte.
    Wie zu erwarten, stürzte sich nun wutschnaubend der zweite Tiger auf uns. Wir wichen zur Seite, um ihn ins Leere laufen zu lassen, und unter dem triumphierenden Geschrei der Zuschauer rutschte er unbeholfen über das Eis. Emma und ich verwandelten uns wieder in Menschen. Gemeinsam konnten wir ihn sicher besiegen.
    »Nummer eins ist erledigt«, sagte ich. »Jetzt der zweite.«
    Hinter meinem
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