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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
Autoren: Tamar Yellin
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Abwesenheit, nur von billigen Neujahrskarten unterbrochen, mit einer Augenbraue zum Ausdruck bringen konnte. »Shulamit«, sagte er. Und hieß mich mit einer feierlichen Gebärde im Haus willkommen wie der Kurator eines Museums, das bald schließen würde.
    Ich stellte meine Tasche ab und trat ein, um den ganzen Jammer dieses Hauses in mich aufzunehmen, das einmal das pulsierende Herz der Familie gewesen und jetzt völlig heruntergekommen war. In dunklen Ecken sammelten sich die Möbel. Kartontürme und Bettwäschestapel, fragile Geschirrpyramiden standen herum; die Trümmer eines Haushalts zu ungeordneten Haufen zusammengekehrt. Aus den Occhispitzen an den Fenstern hingen lose Fäden. Die Wände
waren kahl, aber im Türrahmen hing immer noch das staubige Mobile aus Hebron-Glas, an das ich mich noch erinnerte.
    Ich wandte mich meinem Onkel zu, der mit dem immer gleichen nach innen gekehrten Blick über das Meer seiner Erinnerungen starrte, die Augen durch die Gläser seiner altmodischen Brille vergrößert. Und der jetzt zu mir aufsah, als sei ich ein Geist, zurückgekehrt, um in seiner ohnehin von Geistern bevölkerten Einsamkeit zu spuken. Ich rang mir ein Lächeln ab.
    »Ich wollte Euch mal besuchen«, sagte ich.

Fünftes Kapitel
     
    Wenn ich an die Sehnsucht denke, von der mein Vater und mein Urgroßvater erfüllt waren, fällt mir auf, dass sie beide Jerusalemer waren: mein Vater durch Geburt und mein Urgroßvater durch eigene Wahl. Jerusalem ist eine Stadt, die sehnsüchtig macht.
    Für mich bleibt die Stadt ein seltsamer Unfall der Geschichte. Sie befindet sich an keiner bedeutenden Handelsstraße und ist für eine politische Hauptstadt nicht gerade günstig gelegen. Das Umland eignet sich weder für Industrie noch für Landwirtschaft. Jahrhundertelang haben die Völker davon geträumt, der Stadt den Glanz wiedergeben zu können, den sie einst gehabt haben soll, aber Jerusalem bleibt hartnäckig provinziell, beseelt vom Geist der Verlassenheit, der so oft mit der Anwesenheit Gottes in Verbindung gebracht wird.
    Die Straße von der Küste nach Jerusalem windet sich aus der Ebene in die Berge. Sie führt durch das Gebiet von Abu Ghosh, am Kloster Latrun vorbei und durch die dunkle
Schlucht von Bab el Wad, dem Tor zum Tal. Wenn die Völker je nach Zion strömen, müssen sie durch diese finstre Klamm. Hier gab es immer einen Hinterhalt.
    Die Juden eroberten Jerusalem von den Jebusitern, die Babylonier von den Juden und die Perser von den Babyloniern. Die Griechen nahmen es den Persern ab, die Makkabäer den Griechen und die Römer den Makkabäern. Der Tempel Salomos wurde abgerissen und wieder aufgebaut, geweiht, entweiht und wieder geweiht und schließlich unter Kaiser Titus zerstört. Zur Strafe drang eine Mücke in seinen Kopf ein und klopfte sieben Jahre lang gegen sein Gehirn; als er starb, öffnete man seinen Schädel und fand darin so etwas wie einen Sperling.
    Die Schätze des Tempels sind in aller Welt verstreut: zwei Säulen stehen in San Giovanni a Porta Latina in Rom, ein bronzener Kandelaber im Dom zu Prag, ein weiterer in Konstantinopel. Das goldene Brustschild des Hohepriesters wurde nach Rom gebracht; andere Gold- und Silbergegenstände wurden in einem Turm in Borsippa versteckt und unter der großen Weide in Tel Beruk. Der Thron Salomos selbst wurde von Babylon nach Persien gebracht und von dort nach Griechenland und Rom. »Ich habe«, schreibt Rabbi Elieser, der Sohn von Rabbi Jossi, seine »Überreste in Rom gesehen.«
    Die Byzantiner nahmen den Römern die Stadt ab, die Araber den Byzantinern, die Kreuzfahrer den Arabern. Die Juden kehrten zurück, wurden vertrieben, kehrten wieder zurück; wurden geduldet, verbannt und wieder aufgenommen. Die Kreuzfahrer wichen den Mamelucken und die Mamelucken den osmanischen Türken.
    Die sephardischen Juden flohen vor der Inquisition aus Südeuropa und aus den arabischen Ländern hierher. Die aschkenasischen Juden kamen aus Polen, in weiße Roben
gekleidet, unter ihrem Anführer Rabbi Jehuda dem Frommen.
    Als sie in Jerusalem eintrafen, gründete Rabbi Jehuda der Fromme eine Synagoge und starb kurz darauf. Seine Anhänger nahmen hohe Hypotheken auf die Synagoge und die Wohnquartiere auf und konnten sie nicht bezahlen. Sie wurden vertrieben und die Synagoge niedergebrannt. Das war das Ende der ersten Siedlung.
    Hundert Jahre später reisten siebzig Studenten des Gaon von Wilna nach Jerusalem: von Shakluv aus mit dem Floß über die Flüsse und von Odessa
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