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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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tönte
es aus dem Inneren der Sänfte.
    Enrico rang nach Atem, fühlte sich
unausgeschlafen und übermüdet. Unter lautem Keuchen begann er:
    „Fangen wir bei Clemens VIII. an,
Exzellenz. Der Papst gilt als geschickter Taktiker und Schlitzohr. Man munkelt,
er soll das Kollegium der Kardinäle getäuscht haben. Sie glaubten, einen
kranken Mann zu wählen, der nicht mehr lange zu leben habe. Doch sie mussten feststellen,
dass der Florentiner Kardinal Ippolito Aldobrandini mit der Übernahme der Mitra
plötzlich wunderbarerweise gesundete und als Clemens VIII. seine Amtsgeschäfte bis
heute gewissenhaft erfüllt. Jedenfalls tat er das bis zu seiner Erkrankung. Zwar
ist er ruhelos, reist beständig umher und wird immer wieder krank, aber sein
vorbildlicher Ernst und seine Frömmigkeit verdienen uneingeschränktes Lob.
Außerdem gilt er als einfühlsamer Politiker.“
    Das erste Licht fiel in hellen
Kaskaden in die Gasse, die sie eben durcheilten, und überzog die Wände der
Häuser mit einem goldenen Schimmer.
    „Was sabbert Ihr da, Enrico. Jeder
weiß, dass Clemens VIII. eine noch nie da gewesene Günstlingswirtschaft betreibt,
ohne je schamrot zu werden.“
    „Aber es ist ihm gelungen, den
Kirchenstaat zu erweitern und den Streit mit Frankreich beizulegen.“
    „Auf Kosten des italienischen Adels
und im Sinne der spanischen Fraktion unter Kardinal Madruzzo!“
    Enrico wunderte sich, dass
Ferdinando so genau Bescheid wusste, schließlich verbrachte er seine Vormittage
mit Schlafen, die Nachmittage mit Vergnügungen und die Nächte mit den
Tänzerinnen und Tänzern des Theaters. Viel Zeit, sich um Politik zu kümmern,
blieb dabei nicht. Möglich, dass ihn sein Vater eingeweiht hatte.
    „Ein erheblicher Teil der Kardinäle
bezieht aus Spanien Pensionen. Aber das Schlitzohr auf dem Stuhl Petri hat es
vermocht, den spanischen Einfluss zu brechen. Er holte sich den Beistand der
Franzosen.“
    „Nur, weil sich dieser Henry Quattre
zum katholischen Glauben bekehren und taufen ließ.“
    „Die Wiederaufnahme Heinrichs von
Navarra in den Schoß der Mutter Kirche war von außerordentlicher Tragweite,
Herr.“
    Sie bogen vom Tiberufer aus in eine
Seitenstraße ein und befanden sich plötzlich auf dem Fischmarkt. Enrico
verschlug es beinahe den Atem. Es stank nach nassem Fisch, nach Schuppen und
modrigem Tang. Hier pochte selbst in der Februarkälte das Herz Roms fiebrig wie
im Dorf, aus dem er stammte.
    „Clemens wollte nicht Kaplan des
spanischen Herrscherhauses sein, und es ist ihm gelungen. Der Papst in Rom ist
wieder sein eigener Herr.“ Enrico musste Luft holen, weil er glaubte, durch den
Dunst auf dem Markt ersticken zu müssen, und ihn das ständige Rennen restlos
erschöpfte. „Und jetzt ist er krank, Exzellenz, auf den Tod krank!“
    „Er war immer auf den Tod krank.“
    „Man munkelt, er liege im Sterben!“
    „Man munkelte immer, dass er im
Sterben läge.“
    „Warum seid Ihr dann hier?“
    Aus der Sänfte kam keine Antwort.
Enrico sah sich kurz auf dem Markt um. Die Menschen, die sich hier
zusammenfanden, ergaben ein buntes Bild, das ihm das Herz aufgehen ließ.
Menschentrauben um Bratereien, Bastmatten mit handtellergroßen Krebsen,
Holzbottiche voller Fisch. Hierher musste er noch einmal kommen, ohne diesen
Laffen von Gonzaga, der nicht einen Blick darauf verwandte und vermutlich nur
daran dachte, die besten Kontakte zu knüpfen. Bevor sie in Richtung Corso
einbogen, traf sich Enricos Blick mit dem einer jungen Frau, die  an einer der
Säulen lehnte. Sie strahlte eine selbstverständliche Ruhe aus, und sie gefiel
ihm sofort. Nur für einen kurzen Augenblick sahen sie sich an, dann musste sich
Enrico beeilen, um der Sänfte hinterherzukommen.
5.
    Ein Geräusch ließ Nerina aus ihrem
Schlaf hochschrecken. Sie lauschte. Stimmen! Vom Fuß des Treppenhauses. Ihr
Tonfall klang erregt und bedeutete nichts Gutes.
    Schon graute der Tag und warf einen
ersten Lichtstreifen durch die Fensteröffnung, der wie Nebel den Raum farblos
ausleuchtete. Nerina musste sich erst vergewissern, wo sie sich befand. Der
Stuhl, das Bett, die Staffelei, Bilder am Boden und an der Wand: Sie war in
Micheles Atelier. Ihr war kalt an den Schultern, schnell zog sie die Decke
höher. Ein Zittern durchlief sie. Wieder hatte sie auf der Liege geschlafen und
fühlte sich wie gerädert. Nerina richtete sich halb auf und lauschte. An der
unteren Eingangstür stritten sich offenbar mehrere Männer, versuchten aber ihre
Stimmen zu dämpfen.
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