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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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Fischhalter
aus Schilfgras hin, und die Brasse wechselte den Besitzer. „Ist so ein Fisch
nicht zu viel für Euch allein?“
    Hinter der Säule kam der Fremde
hervor und vertrat ihr den Weg. Er lachte dabei leise und in einem eigenartigen
Tonfall, blickte ins Bassin und dann Nerina direkt in die Augen. Beinahe hätte
sie über die Anrede ihren Fisch fallen gelassen. Der Blick verursachte ihr
Grauen, denn dort begegnete sie einer Kälte und Leere, die sie sonst nur in den
toten Augen der Fische fand. Rasch senkte sie den Blick.
    „Was geht Euch mein Fisch an?“
    Nerina zitterten die Knie. Sie war
sich jetzt sicher. Der Kerl verfolgte sie, und zwar seit sie Micheles Atelier
verlassen hatte. Sie erinnerte sich an das Gesicht. Der Gedanke ließ ihren
Bauch krampfen. Hitze schoss ihr in die Wangen. Was wollte er von ihr?
    „Er reicht aus für zwei, bella
donna. Gebt mir doch die Ehre ...“
    „Untersteht Euch, so mit mir zu
reden, Fremder. Versucht Euch an Frauen, die das gewöhnt sind.“
    Sie bemerkte, wie sich seine rechte
Hand verkrampfte, und entdeckte am Daumen einen Ring. Rasch verbarg er die Hand
und blitzte sie an.
    „Der Versuch lässt die Gewohnheit
entstehen!“
    „Wagt es ...!“, knurrte Nerina,
bereit, mit der Fischtasche zuzuschlagen, wenn er sich ihr nähern sollte. Sie hasste
diese gewohnheitsmäßigen Anreden der Freier und warf Bernardo einen bittenden
Blick zu. Sofort trat der Fischer zwischen sie und den Fremden.
    „Er muss gemessen werden!“, betonte
Bernardo und verschränkte die Arme vor der Brust. Nerina stellte fest, dass
Bernardo den Fremden um einen guten Kopf überragte. Sie packte ihre Fischtasche
fester und ging hinüber zur Marmortheke, an der die Fische nach ihrer Länge
geprüft wurden, und an der man auch die Innereien entfernte. Aus dem
Augenwinkeln heraus konnte sie noch erkennen, dass der Fremde ihr folgen
wollte, Bernardo ihm jedoch den Weg vertrat.
    Bei Michele gingen viele
ungewöhnliche Gestalten ein und aus, aber noch nie war sie einem solchen Mann
begegnet. Sie hätte schwören mögen, den Fremden noch nie zuvor gesehen zu
haben. Und doch war ihr, als würden sie sich seit Wochen immer wieder begegnen.
Die auffällige kreisrunde Glatze am Hinterkopf war ihr schon mehrmals
aufgefallen. Er war ihr kein Fremder, das fühlte sie. Nerina versuchte seinen
Dialekt einzuordnen, was ihr nicht recht gelang. Sie war sich aber sicher, dass
es kein römischer war. So hart betonte hier in der Ewigen Stadt niemand die
Wörter.
    Warum lief er ihr nach, seit sie
aus dem Haus getreten war?
    Ein Schauer lief ihr die Arme
entlang und kroch ihr bis an den Hals. Die ganze Situation blieb unheimlich,
und sie dankte insgeheim dem Himmel, dass heute Bernardo statt seiner Frau den
Stand betreute.
    Vor der Marmorplatte hatte sich
eine Schlange gebildet. Die Wartenden beschwerten sich lautstark über den
Gesellen des Marktaufsehers, der jeden Fisch in die Länge strich, um ihn so
über die Tafel hinaussehen zu lassen, und dann den Kopf ab der ersten Gräte
abschnitt. Die Frau vor ihr zeterte lautstark und suchte Verstärkung, indem sie
sich umdrehte und ihren geköpften Fisch herzeigte. Nerina selbst hatte keine
Furcht vor der Messung, denn ihre Brasse war für solche Betrügerei entschieden
zu klein.
    Als sie an die Reihe kam, schlitzte
der Geselle des Aufsehers mit einem scharfen Messer das Tier auf und entfernte
die Innereien mit einer raschen Bewegung. Gedankenverloren folgte sie seinen
Handgriffen und bemerkte erst spät, dass er ihr den Fisch bereits hinhielt und
sie mit breitem Grinsen und einem begehrlichen Blick musterte. Rasch packte sie
den Fisch in ihren Strohkorb. Mit schnellen Schritten eilte sie über den Platz,
ohne sich noch einmal umzusehen, aber immer mit dem unbestimmten Gefühl,
beobachtet zu werden. Jetzt verursachte ihr der Lärm Kopfschmerzen. Sie presste
die Hände gegen die Schläfen, der Fischkorb schlug ihr gegen die Brust. Erst
als sie den Fischmarkt in Richtung Marsfeld verließ, hielt sie inne, um zu
verschnaufen.
    Unwillkürlich suchte sie in der
Menge. Sie wollte sich eben abwenden und zu Michele zurückgehen, als sie den
Fremden entdeckte. Bei einer Dirne hatte er sich untergehakt, bei Lena, die oft
für Michele Modell stand. Soeben stieß er ein weiteres Mädchen zurück, das sich
an seinen anderen Arm gehängt hatte, sodass sie stolperte und in den Staub fiel.
Lena lachte laut und zog den Fremden hinunter zum Tiberufer. Also hatte er doch
nur eine Frau gesucht.
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