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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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Augenblick
alles, was ihn in ein schlechtes Licht rückt. Er kennt keine Freunde mehr,
keine Verwandten, keine Günstlinge, nur noch Christen im Herrn.“ Plötzlich
wurde Scipione Borghese wieder ernst. Er blieb kurz stehen und sah Pater
Leonardus von der Seite her an. „Er ist sich zu sicher.“
    „Aber er wäre der rechte Mann.“
    Scipione Borghese verabscheute
diese Schmeicheleien, die dadurch zustande kamen, dass Pater Leonardus etwas
wie Morgenluft schnupperte. Sicherlich rechnete dieser sich aus, dass Kardinal
Camillo Borghese ein Mann war, der bislang jeden seiner Günstlinge versorgt
hatte. Wenn er seinen Neffen mochte, dann hieß der nächste Kardinal Borghese
möglicherweise Scipione.
    Scipione Borghese hielt ihn immer
noch untergehakt und drängte ihn langsam in eine Ecke des Kolonnadenhofes, die
von der Galerie aus nicht eingesehen werden konnte. Dort trat er vor ihn und
senkte die Stimme.
    „Ihr seid ein Schmeichler, Pater
Leonardus. Aber glaubt nicht, ich würde es nicht durchschauen. Ich weiß, was
Ihr wollt, und ich weiß, warum Ihr es nicht bekommt.“
    Scipione ließ seine Gesichtszüge
von einem Augenblick zum anderen versteinern. Er veränderte seine Stimme. Alles
Überhöfliche wich daraus und wurde durch einen Anspruch von Macht ersetzt. Seine
Sätze schnitten wie Stahl.
    „Aber, ich weiß nicht, was Ihr
wollt!“, versuchte sich Pater Leonardus zu rechtfertigen, ein Blick des
Borghese gebot ihm jedoch Schweigen.
    „Wir werden einen Handel
abschließen, Pater Leonardus. Ihr werdet davon profitieren – und ich auch.“
    „Einen Handel? Welcher Art?“
    „Liebt Ihr Bilder, Pater? Moderne
Bilder?“
    Pater Leonardus zuckte mit den
Schultern.
    „Ich vergöttere sie, mein Prete
Rosso. Sie sind ein Geschenk des Herrn an seine unwürdigen Geschöpfe. Ein Stück
des Paradieses, was sage ich, des Himmels! Vielleicht das einzige Geschenk, das
nicht mit dem Bösen behaftet ist, das uns seit der Vertreibung aus dem Paradies
anhaftet wie Leim.“
    „Ich liebe sie auch.“ Die Stimme
des Paters krächzte. „Die Gemälde in den Kirchen, die Darstellung der Heiligen
und die des Lebensweges unseres Herrn“, beeilte sich Pater Leonardus zu sagen.
    Insgeheim machte sich Scipione
Borghese über Pater Leonardus lustig. Eine Rolle wollte er ihm zuweisen, die
der Pater nicht durchschauen würde. Sollte er denken, was er wollte. Sollte er
sich fragen, was sich wirklich hinter seinem Narrentum den Bildern gegenüber
verbarg, das sich in seinem Gesicht spiegelte. Er verdrehte die Augen und
senkte die Stimme ganz zu einem Flüstern herab.
    „Blinder Tölpel“, murmelte der
Borghese.
    „Ich verstehe Euch nicht, Scipione
Borghese!“
    „Ihr werdet mich verstehen, Pater
Leonardus. Bald werdet Ihr mich verstehen. Folgt mir.“
4.
    Enrico hasste die Klingel seit dem
Augenblick, als er sie zum ersten Mal gehört hatte. Er hasste den Umstand, dass
er als Sekretär bei einem Adligen arbeitete, der bereits in seinen jungen
Jahren offensichtlich unter Schlafmangel litt. Und er hasste die Tatsache, dass
er wie ein Leibeigener diesem Gecken zur Verfügung zu stehen hatte, Tag und
Nacht. Aber er liebte Rom – und deshalb war er seinem Schützling Ferdinando
Gonzaga dorthin gefolgt, obwohl ihn dessen Vater seines scharfen Verstandes
wegen nicht hatte gehen lassen wollen.
    Wieder wurde am Klingelzug gerissen
und Enrico sprang aus dem Bett, in das er sich noch angekleidet gelegt hatte.
Als er den Vorhang zurückschlug, sah er, dass sich bereits graue Schleier am
Horizont zeigten, aber die Sonne sich noch hinter dem Esquilin versteckt hielt.
Morgen wie diesen kannte er zur Genüge aus der Zeit als Klosterschüler des
Benediktinerkonvents in Mantua, wenn sie zur Matutin geweckt wurden und in die
Kirche zum Gebet strömten, Klosterbrüder wie Schüler, müde, erschöpft und
frierend.
    Paolo, der Leibdiener Ferdinando
Gonzagas klopfte und öffnete die Tür.
    „Er ist eben nach Hause gekommen
und wünscht Eure Begleitung!“, flüsterte er.
    „Ich eile!“, sagte Enrico und
rätselte darüber, wohin sein junger Herr zu dieser frühen Morgenstunde wollte,
ohne zuvor geschlafen zu haben.
    Er trat ans Fenster, um Luft zu
holen. Die ersten Februartage waren außerordentlich mild gewesen, selbst die
Nächte brachten die Kälte nicht zurück. Rasch fuhr sich Enrico durch die Haare
und holte sich Tintenfass, Messer, Federn und Papier, verstaute alles in einem
Köfferchen und eilte in den ersten Stock hinunter. Dort erwartete
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