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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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ihn
Ferdinando Gonzaga mit tiefen Ringen unter den Augen, aber einem wachen Blick.
    „Der Kardinal erwartet uns!“
    „Mitten in der Nacht, Exzellenz?“
    „Niemand in Rom schläft, während
der Papst im Sterben liegt, Enrico.“
    Durch ein Räuspern unterdrückte
Enrico eine Bemerkung, die ihm beinahe unbedacht über die Lippen gerutscht
wäre. Natürlich dachten die Würdenträger der katholischen Kirche im Augenblick
an nichts anderes als an ihre Pfründen und Einnahmen und an den nächsten Papst,
den Nachfolger auf dem Stuhl Petri, der im Konklave aus ihrer Mitte gewählt
werden würde. Da musste man vorbauen, da musste man schmieren, da musste man
die Lästermäuler stopfen.
    Und für die Jungen, die
Versorgungsfälle, wie er selbst insgeheim die übrig gebliebenen adeligen Söhne
nannte, die vom väterlichen Erbe ausgeschlossen waren, bedeutete es eine
Chance. Jetzt musste man an die Türen klopfen, Unterstützung zusagen, Geld
spenden. Trotzdem wusste er nicht recht, für welche Mission sein Herr in Rom
weilte. Für einen Kardinalshut war er mit seinen siebzehn Jahren zu jung, und
für eine politische Aufgabe zu unerfahren. Aber er würde es herausfinden, davon
war Enrico überzeugt. Nur dass der Vater bereits enge Kontakte zu Kardinal
Camillo Borghese geknüpft hatte, wusste er. Aber dieser Kardinal gehörte der
falschen Fraktion an.
    Enrico begleitete Ferdinando
Gonzaga zur Sänfte hinunter, die in der Toreinfahrt wartete. Er ließ seinen
Herrn einsteigen und schloss die Tür hinter ihm. Enrico selbst lief nebenher.
    „Erzählt mir etwas über den
Kardinal, Enrico. Was ist er für ein Mensch? Wie muss man ihn ködern?“
    Enricos Stärke war sein Gedächtnis.
Vor gut anderthalb Jahrzehnten wurde Padre Odilo, der Dorfgeistliche seines
Heimatortes, deshalb auf ihn aufmerksam. Damals hatte er am Mittagstisch seiner
Eltern, die den Padre zum Essen geladen hatten, den Geistlichen korrigiert und
als Beweis Teile seiner Predigt auswendig wiederholt. Die Verwunderung bei
Padre Odilo war groß gewesen. Von da an saß er, sehr zum Leidwesen seiner
Eltern, häufiger bei ihnen am Tisch und unterrichtete ihn in Latein und
Bibelkunde. Ferdinando Gonzagas Räuspern weckte ihn aus den Erinnerungen und
gemahnte ihn an seine Aufgabe.
    „Herr, ich weiß vermutlich weniger
als Ihr. Kardinal Camillo Borghese ist nicht gerade einer der
aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt, sofern uns Papst Clemens, Gott sei
seiner Seele gnädig, verlassen muss. Es gibt aussichtsreichere Kandidaten wie
die Kardinäle Baronius und Bellarmin, beide Vertreter der italienischen
Fraktion, vor allem der Gelehrte Baronius, der allgemein großen Respekt im
Kollegium genießt, oder aber de’Medici, ein Vertreter der Spanier, oder gar
Kardinal Joyeuse, der Führer der französischen Partei. Allesamt sicherere
Kandidaten als der Borghese. Er ist dem Essen zugetan und fördert vor allem
die, die ihm Gutes getan haben, ohne sie zu sehr zu unterstützen. Vorbehaltlos
arbeitet er allerdings für die Familie Borghese. Er gilt als der Vergangenheit
zugewandt, ganz im Gegensatz zu den übrigen Familienmitgliedern wie
beispielsweise Scipione. Die freien Städte bauen auf ihn, aber die spanische
Fraktion ist noch stark, zu stark.“
    Die Träger liefen los und Enrico musste
sich beeilen, wenn er Schritt halten wollte. Er seufzte. Hinter den Chancen
seines Lebens her zu rennen, daran gewöhnte er sich nie. Aber er war nur der
Sohn eines armen Buchbinders, und als solcher gewiss nicht dazu ausersehen,
sich von Trägern durch den anbrechenden Morgen schleppen zu lassen. Trotzdem
verspürte er an manchen Tagen einen Stich, wenn er das Oben und Unten, wenn er
die Leichtigkeit sah, mit der Ferdinando Gonzaga durchs Leben ging und dies mit
seinem eigenen Weg verglich.
    Zwar wusste Enrico nicht, was der
Herzog von Mantua, der Vater Ferdinandos, seinem Sohn auf den Weg gegeben
hatte, aber er ahnte, dass es sich nicht nur um eine politische Mission
handelte, sondern der Versorgung seines Schützlings dienen sollte. Dabei hatte
dieser Ferdinando weiß Gott keinerlei Begabung, außer die des uneingeschränkten
Müßiggangs und der Tatsache, dass er kaum Schlaf brauchte. Manchmal
verzweifelte Enrico an der scheinbaren Interesselosigkeit Ferdinandos. Deshalb
hatte er sich vorgenommen, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden, einen neuen
Herrn zu finden und so schnell wie möglich seine Dienste bei diesem Gonzaga
aufzukündigen.
    „Jetzt erzählt doch, Enrico!“,
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