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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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fest, aber er riss sich los. Sie wusste, dass er es nicht liebte, wenn man
ihn täuschte, wenn man Spiele mit ihm trieb. Mit einem Satz stand er vor dem
Fischer und griff sich das Tuch. Sein ganzer Körper wirkte verkrampft, als
müsse er sich beherrschen.
    „Was willst du noch?“, mischte sich
jetzt Nerina ein, die ahnte, dass es nicht nur um das Tuch ging. „Ihr wisst
jetzt, wem es gehört. Das genügt doch.“
    Es schmerzte sie, dass Michele dem
Weibsstück für seine Arbeit als Modell wieder ein Tuch geschenkt hatte. Lena!
Diese Advokatenhure, die ihn nur umgarnte, damit sie auf eines seiner Bilder
kam. Michele war dumm genug, sich von ihr einwickeln und unter den Bettsack
ziehen zu lassen. Nerina schnaubte durch die Nase, um ihre Missbilligung
auszudrücken, aber sie wusste, dass ihre Eifersucht Michele nur belustigte. Er
sah sie nicht einmal an, als er sich wieder setzte. 
    „No, bella. Es genügt nicht.
Michele muss mitkommen. Wir haben nicht nur das Tuch gefunden. Leider, Nerina.“
    Der Fischer sah Nerina mitleidig
an, dann wandte er sich an Michele, der ihn offensichtlich nur halb verstand.
    „Komm mit, Michele. Du musst es dir
ansehen.“
    Schwerfällig erhob sich der Maler.
Nerina griff ihm unter die Arme. Sie fühlte seine weinselige Trägheit, die den
Schritt unsicher machte. Dann stand er, allein, ohne Hilfe, verscheuchte sie.
    „Kann es nicht noch bis Mittag
warten?“
    „No, Nerina. Bevor der Tag
anbricht. Es sind nur wenige Schritte bis hinunter zum Tiber.“
    Er sprach gedämpft und mit einer
schwebenden Traurigkeit in der Stimme, die Nerina unsicher machte.
    „Etwas Schlimmes? Ich hole nur
schnell meine Schuhe.“ Nerina rannte zur Liege, schlüpfte hinter ihr
abgetrenntes Schlafabteil am anderen Ende des Ateliers und in ihre
Holzpantinen.
    Camillo zuckte mit den Schultern
und griff Michele am Arm. Als er ihn mit sich zog, schepperte Caravaggios Degen
auf den Boden.
    „Den brauchst du nicht!“, bestimmte
Nerina, und Michele ließ ihn sich abnehmen. Sie wunderte sich, denn sonst
achtete er peinlich genau darauf, bewaffnet zu sein, obwohl es Nichtadligen wie
ihm verboten war, in der Stadt einen Degen zu tragen. Offenbar hatte er nicht
die Kraft, sich zu wehren.
    So schleppten sie den Trunkenen
mehr die Treppen hinunter und auf die Straße, als dass er ging. Die Männer,
Nerina zählte sieben, schritten stumm aus. Auf der Straße standen weitere – und
bis sie zum Tiber hinunter gelangten, hatte sich ihre Zahl verdoppelt. Auf
Michele wirkten die kühle Morgenluft und die Feuchtigkeit des Flusses
offensichtlich belebend. Nerina beobachtete, wie er mit jedem Schritt sicherer
auftrat und sich schließlich von Camillos Schulter löste und selbstständig
ging.
    Nerina war die ganze Prozession
unheimlich. Wo sonst ein herzliches Hallo und Begrüßen einsetzte, wenn Michele
auf die Straße trat, weil er mit allen im Viertel schon getrunken hatte und
sich mit jedem unterhielt, blieben die Fischer und Fährleute heute stumm und
auf den Wurzeln, Baumstämmen und Steinen sitzen. Sie trugen einen Ernst zur
Schau, der Nerina vorsichtig werden ließ. Sie sorgte sich um Michele.
    Noch lagen die Mauern der Häuser im
Dämmerlicht. Von den Seilen, die über die Häuserschluchten gespannt worden
waren, tropfte das Wasser der ersten Wäsche, und verwandelte den Boden in eine
feuchte und klebrige Masse. Aber es war nur der eigenartig satte Klang, mit dem
die Morgenstunden in Rom alles bedachten. Ein Hauch von brackigem Wasser wehte
durch die Gasse, die zum Tiber hinunter führte. Dann weitete sie sich zum Fluss
hin. Die Männer gingen ans flache Ufer hinunter. Nerina konnte von hier aus den
Ponte Fabricio, die Tiberbrücke erkennen, die zur Insel hinüber führte, und die
ersten Boote mit ihren spitzen Latinersegeln ausmachen, die den Tiber aufwärts
gerudert wurden, um an den tiefen Stellen vor der Insel zu fischen.
    Unten am Ufer lagen drei Boote,
deren Maststangen in den Himmel stachen, und um die eine weitere Gruppe von
Männern stand. Eigenartig starr und verlegen wirkten sie mit ihren sparsamen
Gesten.
    „Camillo, sag endlich, was los ist.
Warum weckt ihr Michele um diese Uhrzeit? Ihr wisst doch, dass er vor allem
nachts arbeitet ...“
    Camillo unterbrach Nerina und
deutete auf eine Stelle zwischen den Booten.
    Nerina kniff die Augen zusammen.
Zuerst konnte sie nichts erkennen, dann entdeckte sie etwas Dunkles zwischen
den Männern. Es lag dort auf Steinen und Sand, als wäre es ans Ufer
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