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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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wurde.
    „Er hat immer gekränkelt!“
    Neugierig musterte Scipione
Borghese diesen Ferdinando Gonzaga, dessen äußere Hülle einen schwächlichen,
den Lastern ergebenen Jüngling offenbarte. Täuschte er sich in seinem
Gegenüber? War das alles nur Larve, hinter der sich ein intelligenter Kopf
verbarg, oder war dieser Mantuaner Sprössling nur mit der Schläue eines
gewöhnlichen Intriganten gesegnet?
    „Es geht das Gerücht, dass er im
Sterben liegt – und die“, Scipione Borghese stockte etwas, als wolle ihm das
Wort nicht aus dem Mund, und fuhr dann doch fort, leiser, gedämpft, „Gespräche
bezüglich seiner Nachfolge haben bereits begonnen. Es ist die Zeit der
Freundschaften und persönlichen Bindungen, Gonzaga. Jedes beifällige Nicken
könnte für die Zukunft nützlich sein. Die Familie der Aldobrandini hat lange
genug regiert. Ihre Neffen und Enkel sind versorgt. Es wird Zeit für frisches
Blut.“
    „Verzeiht“, versuchte Ferdinando
Gonzaga zu beschwichtigen und warf Enrico einen vielsagenden, Hilfe suchenden
Blick zu, „aber es liegt vielleicht an meinem Alter, dass ich so forsch bin.
Euer Oheim rechnet sich gegen die spanische Vormacht im Kollegium Möglichkeiten
aus?“
    „Möglichkeiten auch.“
    „Das bedarf treuer Freunde.“
    Scipione Borghese tat, als hätte er
den letzten Satz überhört. Dieser Ferdinando gefiel ihm, obwohl er das Gefühl
nicht loswurde, dass er sich vorsehen musste. Hinter diesen wie mit einigen
wenigen Pinselstrichen hingewischten gefälligen Gesichtszügen verbarg sich ein
scharfer Geist.
    „Sagt, Ferdinando, wie gefällt Euch
das Bild? Jetzt könnt Ihr offen sein, mein Oheim legt sich zu seinem
Vormittagsschläfchen hin. Die Wachzeiten an Clemens’ Bett strengen ihn an.“
    Ferdinando Gonzaga ging auf die
Wendung im Gespräch ein. Er wanderte vor dem Bild auf und ab, und Scipione
Borghese sah an seinem steifen Schritt und an seinen staksigen Bewegungen, dass
er sich zurückhalten musste. Sicherlich war Ferdinando Gonzaga verärgert
darüber, dass er seit Stunden mit seinem Sekretarius in einem der Vorzimmer
hatte warten müssen, und jetzt wurde er zur Beurteilung eines Gemäldes
aufgefordert, das ihm nicht zusagte. Er würde ihm auf die Sprünge helfen.
    „Sagtet Ihr nicht, mein lieber
Ferdinando, es werfe ein neues Licht in die Arena der Kunst? Das tut es. Was
mein Oheim verabscheut, ist nichts anderes als der Ausdruck neuen Denkens.
Künstler wie Cardi und Muziano haben den heiligen Hieronymus noch als kraftvollen
Mann dargestellt. Ein Heiliger wie ein Herkules wurde daraus, mit Muskeln, als
wolle er damit den Glauben in die Köpfe der Menschen prügeln.“
    Mit einem Kopfnicken deutete der
junge Gonzaga zum Bild hinüber.
    „Aber dieser Caravaggio ... er ist
feiner, subtiler. Sein Hieronymus ist ein Asket, und man sieht es ihm an. Er
verzichtet auf alles: Ehre, Ämter, Privilegien, Nahrung, Kleidung. Einzig das
Geistige verbleibt ihm. In diese Spiritualität vertieft er sich. Gelehrsamkeit
ist ihm wichtiger als irdisches Gut. So legt er den unerschütterlichen Grund
seines Glaubens durch das Wort Christi.“
    Scipione Borghese fühlte, wie er
mit jedem Wort der Deutung des jungen Gonzaga tiefer in das Geheimnis des
Gemäldes eintauchte, wie plötzlich ein Sog ausging von dessen Farben, von
dessen Ton. So hatte auch er selbst das Gemälde verstanden.
    „Weil er auf alles verzichtet, ist
er frei!“, murmelte Ferdinando Gonzaga zuletzt, und Scipione Borghese sah
erstaunt empor. Hatte der Jüngling diesen Satz eben selbst so formuliert, oder
war er ihm von seinem Sekretarius eingeflüstert worden, der direkt neben seinem
Herrn stand? Er konnte diesen jungen Gonzaga so schlecht einschätzen. Sein
Gesichtsausdruck erinnerte ihn immer noch an die blasierten Gesichter der
Kater, die sich tagsüber im Kolosseum wärmten und faulenzten, die aber nachts
unerbittlich auf Jagd ausgingen und ihre Reviere verteidigten.
    „Und das fürchten sie alle, die
Kardinäle der Kirche, insbesondere seit Clemens ernstlich erkrankt ist.“
    „Selbst wenn ich es nicht sehe,
leuchtet sein Licht in die Finsternis hinter meinen Augen. Wäre ein solcher
Mann nicht geeignet, die Fraktion der italienischen Kardinäle hinter sich zu
versammeln? Solche Bilder wirken wie Magnete, sie ziehen an oder stoßen ab.“
    Ferdinando Gonzaga räusperte sich
leicht, als er diese kurze Rede hinter sich gebracht hatte, als wäre sie
zufällig, eigentlich unbeabsichtigt, seinem Mund entfallen.
    Scipione
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