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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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näher brachte, stärker verunsichert und niedergeschlagen. In Dettelbach gab es erneut einen Aufenthalt, da Michel hier auf Michi und die Gruppe warten wollte, die ihnen entgegenreiste. Diese trafen bereits nach drei Tagen ein, und die Kinder ergossen sich wie ein Wildbach in Maries Kammer, die sich gerade anzog, um ihnen entgegenzugehen.
    »Mama, hast du die böse Hulda verhauen?« Trudi starrte Marieerwartungsvoll an, entdeckte dann aber Falko, der auf Beates Schoß saß.
    »Das ist also mein Bruder!«
    Zu Maries Freude schwang keine Eifersucht in der Stimme ihrer Tochter. Das Mädchen ging lächelnd auf den Jungen zu und streichelte über sein helles Haar. Der Kleine blickte verwundert zu ihr auf, fasste dann nach ihrer Hand und gab einen glucksenden Laut von sich.
    »Er sieht aus wie Mama«, fand seine Schwester und fragte ihn, wie er hieße.
    »Falko! Und du?«
    »Ich bin Trudi, das hier ist Lisa, das dort Egon, der da Wladi, und die heißt Zoe.« Trudi zeigte dabei der Reihe nach auf die Kinder. Falko aber starrte Alika mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Du musst dich waschen!« Das hatte er oft genug von Beate zu hören bekommen, und er sagte es jetzt mit einer gewissen Überheblichkeit.
    Alika lachte hell auf und kam auf ihn zu. »Weißt du, was ein Rappe ist, mein Kleiner?«
    Falko nickte eifrig. »Ja, ein schwarzes Pferd!«
    »Sehr gut. Weißt du, wenn du einen Rappen weiß waschen kannst, werde ich zusehen, ob es auch bei mir gelingt.« Alika gab ihm einen leichten Stups auf die Nase und lächelte Marie an.
    »Jetzt hast du all deine Ziele erreicht, meine Freundin, aber ich …« Für einen Augenblick drückte ihre Miene Trauer aus.
    Marie sie zog sie an sich und schloss sie in die Arme. »Ich werde alles tun, damit auch du glücklich sein kannst, aber ich kann dich leider nicht an den Ort zurückbringen, an dem du geboren worden bist.«
    Alika atmete tief durch und versuchte wieder zu lächeln. »Das weiß ich doch! Ich bin dir auch so schon sehr dankbar, denn ohne dich wäre ich ein Nichts, das jeder Lump in eine Ecke ziehen dürfte und das dafür noch Schläge bekäme.«
    Ihre Wehmut verflog bald wieder, denn an einem Ärmel zerrte Trudi, an dem anderen Lisa, und beide beteuerten ihr, wie lieb sie ihre dunkelhäutige Freundin gewonnen hätten.
    »Ich hab dich auch lieb.« Mariele lächelte bei diesen Worten etwas scheu, denn sie war zuerst eifersüchtig auf die junge Mohrin gewesen, die Trudis Herz fast im Sturm erobert hatte. Egon schmiegte sich ebenfalls an Alika, und für einige Augenblicke sah es so aus, als hingen die Kinder mehr an der Mohrin als an Marie. Wladimir nützte jedoch die Gelegenheit, um auf deren Schoß zu klettern und nach Andrej zu fragen. Das wirkte wie ein Signal, und mit einem Mal scharte sich die ganze Bande um Marie und spitzte die Ohren. Von der bösen Hulda hatten sie alle gehört, und sie wollten wissen, was mit dieser geschehen war. Nur Zoe lag auf Anastasias Arm und schlief den Schlaf der Gerechten.

XVIII.
     
    K ibitzstein sah zunächst genauso aus, wie Marie es in Erinnerung hatte, dann aber stellte sie etliche Veränderungen fest. Die früher vernachlässigten Mauern waren ausgebessert, die Dächer schienen jetzt dicht zu sein, und das Meierdorf wirkte so wohlhabend, wie man es sich nur wünschen konnte. Noch wenige hundert Schritte, dann bin ich zu Hause, fuhr es ihr durch den Kopf. Statt Erleichterung oder Freude empfand sie eine so starke Beklemmung, dass es ihr fast den Atem abschnürte, denn dort würde sie ihrer Rivalin gegenübertreten müssen. Um sich Mut zu machen, dachte sie daran, dass Ludwig von der Pfalz sie wie eine Dame von Stand empfangen und in Michels Belehnung mit Burg Kessnach auch ihren Namen erwähnt hatte. Unterwegs war Michel immer wieder zu ihr ins Bett gekommen und hatte dabei nicht so gewirkt, als halte er sie für eine Bettmagd, die er nur benutzte, weil ihm die Ehefrau nicht zur Verfügung stand.
    Der Türmer, der die Reisenden längst erspäht hatte, stieß in sein Horn, und einen Augenblick später schwangen die Torflügel auf. Als die Gruppe in den Burghof ritt, stand dieser bereits voller Menschen. Links hatten sich Theres, Zdenka, Reimo und Karel um die schwarze Eva versammelt. Die fünf wirkten so selig, als hätte ein Erzengel des Herrn ihnen gerade das Paradies versprochen. Zur rechten Hand wartete ein junger Ritter auf die Ankömmlinge, und neben ihm stand die Frau, der Marie in ihrer Phantasie schon mehrmals das Gesicht
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