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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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du, Michel, unser Sohn mag dich schon lieber als mich. Erlaube mir nun, euch allein zu lassen. Ich muss mich um die anderen Verwundeten kümmern.«
    »Tu das! Wenn du unterwegs einen Schluck Wein für mich auftreiben könntest, wäre ich dir dankbar. Meine Kehle fühlt sich an wie ein Schlot.« Michel leckte sich über seine aufgesprungenen Lippen und stöhnte, weil diese ebenfalls versengt waren.
    »Ich werde schauen, was ich tun kann. Mena, kannst du Wein für meinen Gemahl besorgen?« Letzteres galt Huldas Tochter, die sofort aufsprang und ohne zu murren hinauslief, obwohl Magddienste von ihr verlangt wurden.
    Marie stieg hinab in den großen Saal, in den die übrigen Verletzten geschafft worden waren. Als Erstes sah sie sich Ritter Heinrichs Wunde an. Das Glutstück hatte sich großflächig in Handrücken und Gelenk gebrannt, doch als Marie die Verletzung genauer untersuchte, stellte sie fest, dass weder Adern noch Sehnen zerstört waren. Also würde die Hand nicht steif bleiben. Sie wusch auch diese Wunde mit Eichenrindensud ausund deckte sie mit einem sauberen Kohlblatt ab, bevor sie sie verband.
    »Ich danke Euch von ganzem Herzen für das, was Ihr heute für Michel und mich getan habt!«, sagte sie, als sie fertig war.
    Heinrich von Hettenheim winkte mit der gesunden Hand ab.
    »Michel hätte dasselbe für mich getan. Außerdem haben Heribert und der Russe nicht weniger Anteil daran als ich.«
    »Das schmälert nicht Euren Verdienst.« Marie rief nach Mena, die gerade mit einem Becher und einem Weinschlauch nach oben eilte, und wies sie an, auch Ritter Heinrich Wein zu kredenzen. Dann kümmerte sie sich um die Verletzungen der restlichen Krieger und kontrollierte die von den Mägden angelegten Verbände. Als diese Arbeit getan war, brachte Anni ihr einen Becher Würzwein, in den sie ein wenig Mohnsaft gemischt hatte. Marie fiel der Geschmack nicht auf. Sie wunderte sich nur, warum sie mit einem Mal so müde wurde. Anni konnte sie gerade noch die Treppe hinaufbringen und auf ein Bett legen, denn Marie schlief schon, bevor ihr Kopf das Kissen berührt hatte.

XVI.
     
    A ls Marie am nächsten Morgen erwachte, hatte Heinrich von Hettenheim die Burg bereits verlassen und einen Großteil der Krieger mitgenommen. Von Beate erfuhr sie, dass Mena und deren nächstjüngere Schwester ihn begleiteten. Sein Ziel war die Burg Hettenheim, der Stammsitz seines Geschlechts, den er nun ohne größere Kriegshandlungen in die Hand zu bekommen trachtete.
    Marie blieb wenig Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn Michels Wange und die Wunden der übrigen Krieger forderten ihre ganze Aufmerksamkeit. Da Ritter Heinrich Anni als Betreuerin der beiden Mädchen mitgenommen hatte, diente ihrBeate als Leibmagd. Die junge Frau kümmerte sich auch weiterhin um den kleinen Falko, tat ihre Arbeit aber stumm und in sich gekehrt, denn seit der Eroberung der Burg wurde ihre Schwester vermisst. Beate hoffte zwar, dass Alke fliehen und in einem benachbarten Dorf Unterschlupf hatte finden können. Doch sie kannte deren bedingungslose Treue zu Frau Hulda und blickte immer wieder zu dem Steinhaufen hinüber, der von dem Wehrturm übrig geblieben war. In der Nacht hatte es geschneit, und unschuldiges Weiß bedeckte die Spuren des Kampfes. Die Trümmer des Turmes aber, über denen immer noch schwarzer Rauch aufstieg, stachen wie etwas abgrundtief Böses daraus hervor. Beate grauste es bei dem Anblick, von Stunde zu Stunde festigte sich ihre Gewissheit, dass auch ihre Schwester dort den Tod gefunden hatte.
    Die junge Magd verbarg die Tränen, die sie im Innern weinte, und tat ihre Arbeit. Sie versorgte nicht nur den kleinen Falko und Marie, sondern kümmerte sich auch um die vier jüngeren Töchter Huldas. Immer wieder musste sie dabei an das kleine Mädchen denken, das sie damals an Maries Seite gelegt hatte, und wagte schließlich, danach zu fragen.
    »Was ist eigentlich mit dem Kind geschehen, das mit Euch weggebracht worden ist, Herrin?«
    »Ich habe sie Lisa getauft. Sie ist mit den anderen Kindern in Nürnberg zurückgeblieben. Sobald hier alles geklärt und die Verwundeten reisefähig sind, werden wir dorthin zurückkehren.«
    Beate sank auf die Knie und schlug das Kreuz. »Dem Herrn im Himmel sei Dank! Ich hatte schon Angst, das Mädchen dem sicheren Tod ausgeliefert zu haben. Aber hier wäre das Kind ganz gewiss umgekommen, denn es gab niemanden, der es hätte nähren können.«
    »Ich nehme an, Hulda hätte ihre Tochter umgebracht, denn
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