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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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sie konnte kein Kind in diesem Alter brauchen, dessen Mutter nicht einwandfrei feststand.«
    Da Beate ihre frühere Herrin kannte, wagte sie nicht zu widersprechen. Vorsichtig, um ihre neue Herrin nicht zu verärgern, fragte sie, wie es der kleinen Lisa ginge, und atmete sichtlich auf, als Marie ihr berichtete, die Kleine sei gesund und munter.
    »Ich werde sie behalten und wie eines meiner eigenen Kinder aufziehen«, erklärte Marie. »Ohne Lisa hätte ich nicht die Kraft besessen, all das durchzustehen, was Hulda mir angetan hat, und meinen Sohn niemals in den Armen halten können.«
    Sie winkte Falko zu sich, der neugierig hereingetapst war, als wäre es ihm bei den Mädchen zu langweilig geworden, und weinte beinahe vor Freude, als er sich ohne Scheu an sie schmiegte. Dann bemerkte sie den Blick, den er mit Beate wechselte, und ihr wurde bewusst, dass die Magd das Kind dazu gebracht hatte, Vertrauen zu ihr zu fassen.
    Sie ergriff Beates Hand und drückte sie. »Das werde ich dir nie vergessen! Es würde mich freuen, wenn du als Falkos Kindsmagd bei mir bleiben würdest.«
    Beates Augen weiteten sich vor Überraschung. »Ich wüsste nicht, was ich lieber täte. Ich schwöre Euch, Herrin, ich werde Euch mit all meiner Kraft dienen.«
    »Du könntest gleich damit anfangen und mir einen Humpen Wein bringen«, sagte da Michel, der leise in die Kammer getreten war und sich nun ächzend auf einem Stuhl niederließ.
    »Die Wange tut zwar nicht mehr besonders weh, aber sie juckt fürchterlich. Am liebsten würde ich den Verband abreißen und mich kratzen.«
    »Das wirst du fein bleiben lassen, mein Liebster! Jucken ist ein gutes Zeichen, denn dann beginnt die Wunde zu heilen. Ich werde sie mir am Abend noch einmal ansehen und mit Eichenrindensud auswaschen. Dann kommt Sanddornöl darauf. Dieses Mittel habe ich in Russland kennen gelernt und zum Glück nochein Fläschchen unter den Sachen gefunden, die ich aus Worosansk habe retten können.«
    »Du hast heilende Hände, meine Liebste! Ich fühle mich so gut wie selten zuvor in meinem Leben und würde heute Nacht gern etwas mehr tun, als mir von dir die Wange verarzten zu lassen.«
    Michel strich Marie spielerisch über den Po und versuchte anzüglich zu grinsen, aber es kam nur eine verzerrte Grimasse heraus. Sie spürte seine Sehnsucht nach einem weichen Frauenleib und gleichzeitig seine Angst, von ihr abgewiesen zu werden. In dem Augenblick wusste sie, dass sie ihn gewähren lassen musste, auch wenn ihr eigenes Verlangen eher gering war. Dieses Opfer musste sie ihm bringen.
    War es wirklich ein Opfer?, fragte sie sich gleich darauf. Früher hatte sie es genossen, mit Michel zusammen zu sein. Zwar waren zwischen den letzten Monaten, die sie mit ihm verbracht hatte, und diesem Tag mehr als zwei Jahre ins Land gegangen, aber er war ihr Mann und sie seine Frau. Den Gedanken an die andere, die auf Kibitzstein wartete und ebenfalls ein Anrecht auf ihn erheben konnte, schob sie zum ersten Mal nach ihrer Rückkehr weit von sich und nickte lächelnd. Dabei berührte sie seine Lenden mit ihrer Hüfte.
    Er keuchte leise auf und griff fester zu. Im gleichen Augenblick stellte Marie fest, wie sehr es ihr gefiel, von ihm begehrt zu werden. Trotzdem klopfte sie ihm auf die Finger. »Die Rede war von heute Nacht! Jetzt habe ich noch viel zu tun. Aber ich werde mich beeilen.«
    »Du kommst wirklich zu mir, trotz dem da?« Michel zeigte auf seine dick verbundene Wange.
    »Weißt du, eine alte Frau wie ich hat nicht mehr viel Auswahl!« Marie wich dem leeren Weinbecher aus, den er spielerisch nach ihr warf. »Heute Abend musst du aber besser zielen, sonst bin ich enttäuscht.«

XVII.
     
    D er Kastellan der Burg Hettenheim war ein vernünftiger Mann. Kaum hatten die beiden ältesten Töchter seiner früheren Herrin den Tod ihrer Mutter bekundet, öffnete er das Tor und hieß Heinrich von Hettenheim als seinen neuen Herrn willkommen. Damit hatte die Fehde ihr Ende gefunden. Ritter Heinrich musste in der Pfalz bleiben, um seine Herrschaft zu sichern. Die Arnsteiner und Heribert von Seibelstorff entschlossen sich, den Winter über bei ihm zu bleiben und ihn zu unterstützen. Er lud auch Marie und Michel ein, bei ihm zu überwintern und erst im Frühjahr nach Hause zurückzukehren. Sie lehnten seine Einladung jedoch ab, denn sie hatten beschlossen, trotz Eis und Schnee nach Nürnberg zu reisen, um Trudi, Lisa und die anderen abzuholen. Andrej reiste mit ihnen, denn er wollte so rasch wie
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