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Das Vermächtnis der Eszter

Das Vermächtnis der Eszter

Titel: Das Vermächtnis der Eszter
Autoren: Sándor Márai
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Ring, weil ich mit Lajos nicht streiten wollte, und auch, weil ich das Gefühl hatte, dieser bescheidene Wertgegenstand, der in unseren Verhältnissen doch einmal jemandem nützen mochte – aus seinem Verkaufserlös könnte man, glaube ich, die Aussteuer eines jungen Mädchens bezahlen –, wäre bei mir besser aufgehoben als in der Unordnung, die um Lajos herum so üppig wuchert wie das Unkraut im warmen Regen. Er würde ihn verkaufen, verspielen, dachte ich; und ich war ein wenig gerührt darüber, daß er ihn mir gegeben hatte. Und in jener Stunde – Gott gebe mir die Kraft zur Ehrlichkeit! –, ja, in jener Stunde, da wir den Sarg meiner Schwester in die Erde hinunterließen, gab ich mich der Hoffnung hin, daß unser Leben, das von Lajos, das der Kinder und vielleicht auch mein eigenes, noch in Ordnung gebracht werden konnte. Der Ring bedeutete nicht mehr viel, es ging um das Ganze … Und so versorgte ich ihn. Und so nahm ich ihn mit, später, als wir uns trennten, und verbarg ihn zwischen meinem Testament und meinen Erinnerungsstücken.
    In der Zwischenzeit, in den Jahren, da ich Lajos nicht gesehen habe, schaute ich den Ring nie an; ich wußte mit schlafwandlerischer Sicherheit, daß er gefälscht war.
    »Ich wußte« – welche Übertreibung! Ich nahm den Ring nie in die Hand. Ich hatte Angst vor ihm. Hatte Angst vor diesem Wissen, das ich nie in Worte faßte. Ich wußte wohl, daß alles, was Lajos berührte, seine ursprüngliche Gestalt verlor, in seine Bestandteile zerfiel wie das Edelmetall in den Retorten alter Zauberer … Ich wußte wohl, daß Lajos auch Menschen fälschen konnte, nicht nur Steine und Metalle. Ich wußte, daß in seinen Händen kein Ring die edle Unschuld bewahren konnte. Vilma war lange krank gewesen und nicht in der Lage, sich um die häuslichen Belange zu kümmern, Lajos konnte ohne Aufsicht schalten und walten, und so war der Ring in seine Hände geraten … Im Augenblick, da es Nunu aussprach, wußte ich, daß es stimmte: Lajos hatte mich um den Ring betrogen, wie um alles andere auch.
    Ich richtete mich im Bett auf, wahrscheinlich war ich bleich, und ich fragte: »Hast du ihn prüfen lassen?«
    »Ja«, sagte Nunu ruhig. »Einmal, als du nicht zu Hause warst und mir die Schlüssel gegeben hast. Ich brachte ihn zum Juwelier. Sogar das Platin hat er austauschen lassen. Die Fassung hat er durch ein weißliches Metall ersetzt, mit etwas, das weniger wertvoll ist. Weißgold, so haben sie es genannt. Den Stein hat er auch ausgetauscht. Der Ring, den du seit Jahren da aufbewahrst, ist keine fünf Kreuzer wert.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte ich.
    Nunu zuckte mit den Schultern: »Ach komm, Eszter«, sagte sie unwirsch.
    Ich schwieg und blickte in die Kerzenflamme. Ja, wenn Nunu es sagte, so stimmte es. Und warum sollte ich vor mir selbst leugnen, was ich ahnte, seit dem Augenblick, da mir Lajos den Ring überreicht hatte. Alles, was er berührt, verfälscht sich. Und sein Atem ist wie die Pest, dachte ich, und ich ballte unwillkürlich die Hände. Nicht wegen des Rings … Was zählte in meinem Leben schon ein Ring. Oder auch mehrere Ringe. Alles, was er je berührt hat, ist falsch geworden, dachte ich.
    Und dann dachte ich noch, und ich sprach es auch aus: »Könnte es sein, daß er ihn mir aus Berechnung gegeben hat? Er hatte vielleicht Angst, daß man ihn suchen würde, die Kinder oder sonst jemand … Und da der Ring bereits gefälscht war, hat er ihn mir gegeben, damit man ihn bei mir sucht. Und wenn sich dann herausstellt, daß er gefälscht ist, soll man mich anklagen …«
    Ich dachte laut, wie ich es in Nunus Gesellschaft immer tat. Wenn jemand Lajos kennt, so ist es Nunu, sie kennt ihn durch und durch, kennt alle seine Gedanken, auch die, die er selbst nicht zu Ende zu denken wagt. Nunu ist immer gerecht.
    Sie sagte sanft und sachlich: »Ich weiß es nicht. Mag sein. Das wäre aber schon eine große Gemeinheit. Lajos ist nicht so berechnend. Er ist kein Verbrecher. Dich hat er sogar geliebt. Ich glaube nicht, daß er dich mit dem Ring in etwas Schlimmes hineinziehen wollte. Er hat ihn einfach verkauft, weil er Geld brauchte, und dann hatte er nicht den Mut, es zu gestehen. Da hat er eben eine Kopie machen lassen. Und dir den wertlosen Ring gegeben … Warum? Aus Berechnung? Aus Gemeinheit? Vielleicht wollte er bloß großherzig erscheinen. Der Augenblick war so geeignet: Ihr kommt heim von Vilmas Begräbnis, und er, Lajos, überreicht dir als erstes den einzigen
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