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Das Vermächtnis der Eszter

Das Vermächtnis der Eszter

Titel: Das Vermächtnis der Eszter
Autoren: Sándor Márai
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Versprechen einander verbunden sind und daß ihre wahre Beziehung nicht von Gefühlen und Sympathien bestimmt ist. Es gibt ein anderes, härteres, strengeres Gesetz, das festlegt, wer wen angeht … Wer wessen Komplize ist. Dieses Gesetz hat verfügt, daß ich dich angehe. Ich habe von diesem Gesetz gewußt. Schon vor zwanzig Jahren. Ich wußte es gleich, als ich dich kennenlernte. Es hat keinen Wert, Eszter, wenn ich jetzt den Bescheidenen spiele: Ich glaube, von uns beiden habe doch ich den stärkeren Charakter. Natürlich bin ich nicht ›charakterfest‹, wie es die Handbücher der Moral haben wollen. Und doch bin ich es, der Schwankende, der Treulose, der Flüchtige, ich bin es, der innerlich und aus ganzem Willen dem anderen Gesetz treu zu bleiben vermocht hat, dem Gesetz, das in den Büchern und auf den Gesetzestafeln nicht erscheint und doch das einzige wahre ist. Es ist ein hartes Gesetz … Hör mir gut zu. Das Gesetz der Welt besagt, daß man beenden muß, was man angefangen hat. Das ist kein großer Spaß. Nie kommt etwas zur rechten Zeit, nie gibt das Leben dann, wenn man darauf vorbereitet wäre. Lange Zeit schmerzt einen diese Unordnung, diese Verspätung. Man glaubt, jemand spiele mit einem. Eines Tages aber wird man gewahr, daß die Sache wunderbarerweise System und Ordnung hat … Zwei Menschen können sich keinen Tag früher begegnen, als sie dafür reif sind … Nicht ihre Neigungen und Launen sind reif, sondern sie sind es innerlich, nach dem Befehl unabwendbarer kosmischer Gesetze, so wie sich zwei Himmelskörper begegnen, in endlosem Raum und unendlicher Zeit, und doch haargenau, genau in der Sekunde, die ihre Sekunde ist in den Jahrmillionen und der Endlosigkeit des Raums. Ich glaube nicht an den Zufall der Begegnungen. Ich bin ein Mann und habe viele Frauen gekannt … Verzeih, aber ich muß davon sprechen … Ich habe schöne und begeisterte Frauen gekannt, und auch solche, in denen der Atem des Teufels zu lodern schien, ich habe Heldinnen gekannt, die sich einem Mann durch den Schnee bis nach Sibirien hinternachschleppen würden, ich habe großartige Frauen gekannt, die helfen konnten, der unerbittlichen Einsamkeit des Lebens für kurze Zeit zu entrinnen. Ja, alle die habe ich gekannt«, sagte er still und eher für sich, als wäre er in der Erinnerung versunken.
    Als er jetzt verstummte, sagte ich mühsam: »Ich freue mich, daß du eines Tages doch zu mir gekommen bist, um von deinen Bekanntschaften zu erzählen.«
    Ich bereute aber gleich, das gesagt zu haben; es war meiner nicht würdig, und auch dessen nicht, was Lajos gesagt hatte.
    Er blickte mich ruhig an und nickte zerstreut: »Was kann ich dafür, daß ich doch immer nur auf dich gewartet habe«, sagte er ohne besondere Betonung, freundlich, elegant und bescheiden.
    »Was kann ich dafür«, sagte er lauter, »und was kannst du mit diesem verspäteten Geständnis anfangen, das in unserem Alter weder Inhalt noch Anstand hat? Ja, man dürfte so etwas gar nicht sagen. Aber ob man darf oder nicht, wie wenig sind doch solche Anstandsregeln wert, wenn man von der Wahrheit reden muß. Siehst du, Eszter, das Wiedersehen ist fast auf geheimnisvollere Art aufregend als die erste Begegnung … Das weiß ich schon lange. Jemanden, den man geliebt hat, wiederzusehen, ist das nicht so wie zum Tatort zurückzuschleichen, getrieben von einem unwiderstehlichen Zwang, wie es in den Kriminalromanen heißt?… Ich habe nur dich geliebt im Leben, ohne sehr ernste Ansprüche und nicht immer konsequent, ich weiß … Und dann ist etwas passiert, und das nicht nur mit den Briefen, die Vilma unterschlagen hat. An dem allein konnte es nicht liegen. Du hast diese Liebe nicht wirklich gewollt. Widersprich nicht. Es genügt nicht, jemanden zu lieben. Man muß ihn mutig lieben. Man muß ihn so lieben, daß weder Diebe noch Pläne, noch Gesetze, himmlische oder irdische, etwas gegen diese Liebe ausrichten können. Wir haben einander nicht mutig geliebt … Das war das Problem. Und das war dein Vergehen, denn der Mut des Mannes ist in der Liebe lächerlich. Das ist euer Werk, die Liebe … Nur darin seid ihr groß. Da irgendwo bist du gescheitert, und mit dir alles andere, was hätte sein können, die Verpflichtung, die Aufgabe, der Inhalt des Lebens. Es stimmt nicht, daß die Männer für die Liebe verantwortlich sind. Ihr sollt heldenhaft lieben. Du hingegen hast das Schlimmste gemacht, das eine Frau machen kann, du bist beleidigt davongelaufen. Glaubst du mir
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