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Das Vermächtnis der Eszter

Das Vermächtnis der Eszter

Titel: Das Vermächtnis der Eszter
Autoren: Sándor Márai
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zu machen, daß der Plan und die Absicht, mit denen er bei Ihnen eingefallen ist, auch dann gefährlich sind, wenn Lajos die Bedingungen des Vertrags einhält. Sie, liebe Eszter, leben hier – dank Nunu, dank Garten – wenn nicht im Wohlstand, so doch in Ruhe. Lajos’ Pläne mögen für einen Außenstehenden gefühlvoll klingen … Aber ich glaube nicht an Lajos’ Gefühle. Ich kenne ihn gut, kenne ihn seit fünfundzwanzig Jahren. Ein solcher Mensch, ein solcher Charakter wie Lajos ändert sich nie.«
    »Nein«, sagte ich. »Auch er sagt, daß er sich nicht mehr ändern wird.«
    »Auch er sagt das?« fragte Endre. Er nahm die Brille ab und blickte mich kurzsichtig blinzelnd an. »Es ist gleichgültig, was er sagt. War er jetzt ehrlich? Sehr ehrlich? Es hat keine Bedeutung. Ich habe solche ehrlichen Szenen mit Lajos erlebt. Vor zwanzig Jahren, vielleicht erinnern Sie sich, Eszter … Zwanzig Jahre habe ich geschwiegen. Aber jetzt ist der Augenblick gekommen, da ich es sagen muß. Vor zwanzig Jahren, als der alte Gábor, Ihr Vater, liebe Eszter … verzeihen Sie, er war ein guter Freund von mir, ein brüderlich guter Freund … Also, vor zwanzig Jahren, als Ihr Vater starb und ich als Freund und Notar die traurige Pflicht hatte, seine Angelegenheiten zu ordnen, da hat sich herausgestellt, daß Lajos auf den Namen Ihres Vaters Wechsel gefälscht hatte. Wußten Sie davon?«
    »So ungefähr«, sagte ich. »Es hieß etwas davon … Aber man konnte nichts nachweisen.«
    »Doch, genau das ist es, daß man es nachweisen konnte«, sagte er, während er an seiner Brille herumwischte. Ich hatte ihn noch nie so verlegen gesehen. »Im Nachlaß haben wir den Beweis dafür gefunden, daß Lajos Wechsel gefälscht hat. Wenn wir damals die Sache nicht in Ordnung gebracht hätten … wäre von diesem Haus und dem Garten nichts geblieben, liebe Eszter. Jetzt kann ich es ja sagen. Es war nicht leicht … Kurz und gut, damals habe ich solche Ehrlichkeitsszenen mit Lajos erlebt. Ich weiß es noch sehr genau; solche Szenen kann man ein Leben lang nicht vergessen. Ich wiederhole, Lajos ist ein Schuft. Ich bin der einzige, bei dem sein Zauber nicht verfängt. Das weiß er ganz genau … Er hat Angst vor mir. Jetzt, da er in dieses Haus hereinbricht und allem Anschein nach alles rauben will, was noch da ist, Ihr ruhiges Leben, diese bescheidene kleine Insel, auf die Sie sich nach dem Schiffbruch zurückgezogen haben, jetzt ist es meine Pflicht, Sie zu warnen. Gut, Lajos geht jetzt vorsichtiger zu Werke. Ohne Wechsel. Offenbar steht ihm das Wasser wieder bis zum Hals, und er kann sich nur retten, indem er zum Abschied hierher zurückkommt und alles raubt, was noch übrig ist … Wenn Sie ihm das Haus und den Garten schenken, habe ich später keinerlei Handhabe dagegen. Niemand kann etwas dagegen tun. Nur ich … Wenn Sie es wollen.«
    »Was können Sie tun, Endre?« fragte ich er-staunt.
    Er senkte den Kopf und betrachtete seine klobigen Knopfschuhe.
    »Na ja …«, sagte er äußerst verlegen. »Sie müssen wissen, daß ich damals so leichtsinnig war, Lajos zu retten. Vor dem Gefängnis habe ich ihn gerettet. Wie? Das ist nicht mehr wichtig. Die Wechsel mußten bezahlt werden, damit Sie im Haus bleiben konnten … Es war nicht Lajos, den ich retten wollte. Jedenfalls haben wir das mit den Wechseln in Ordnung gebracht. Und Sie sind hiergeblieben, in Ruhe und Frieden. Und Lajos habe ich laufenlassen. Doch die Wechsel und alle Beweise für die Straftat habe ich aufbewahrt. Das alles ist heute vor dem Gesetz bereits verjährt. Aber Lajos weiß, daß er in meiner Macht ist, auch wenn ihn das Gesetz aus seinen Klauen entlassen hat. Ich bitte Sie, liebe Eszter«, sagte er fast feierlich und stand auf, »ermächtigen Sie mich, mit Lajos zu reden und ihm diese … also, dieses Dokument zurückzugeben … und die Besucher vor die Tür zu setzen. Wenn ich es will, gehen sie weg. Das können Sie mir glauben«, sagte er ruhig.
    »Ich glaube es«, sagte ich.
    »So, also …«, sagte er entschlossen und wollte sich erheben.
    »Ich glaube es«, sagte ich rasch und mit stockendem Atem. Ich spürte, daß Endre das nicht akzeptieren, nicht verstehen, nie wirklich verstehen konnte. »Und ich danke Ihnen sehr … Erst jetzt sehe ich klar und weiß gar nicht, was sagen. Also verdanken wir alles, was nach Vaters Tod hiergeblieben ist, Ihnen, lieber Endre? Wenn es Sie nicht gegeben hätte, wären wir schon vor zwanzig Jahren … Wäre es mit dem Haus, mit dem
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