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Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Titel: Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Autoren: William R. Forstchen
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»Früher hätte ich es tun können, aber jetzt nicht mehr. Ich wollte dich nur aufhalten, dich daran hindern, mein Volk umzubringen.«
    Hawthorne war benommen und musste sich heftig setzen; er blickte in die Augen des alten Tugaren.
    »Es hätte nie so weit kommen dürfen«, flüsterte Qubata. »Wir waren im Irrtum. Vielleicht hätten wir die Dinge gemeinsam ändern können.
    Es tut mir Leid junger Mann, dass …« Seine Worte verklangen, und er rührte sich nicht mehr.
    Ein Donnern pflanzte sich durch die Erde fort.
    Hawthorne blickte zu der Stelle auf, wo er die Sprengladung an der Flanke des Damms eingegraben hatte. Ein Dammabschnitt von mehr als zehn Metern Breite sackte plötzlich zusammen. Das Wasser schoss hindurch.
    Als würde vergammeltes Segeltuch zerrissen, so wuchs der Bruch mit jeder Sekunde, wurde immer breiter, als Tausende Tonnen Wasser wie ein Rasiermesser durch das Hindernis aus Gestein und Erde platzten. Die Risse pflanzten sich auch nach unten fort, und scheinbar in Sekunden war das Grundgestein erreicht. Eine über zehn Meter hohe Wasserwand, angetrieben von Abermilliarden Litern hinter dem Damm, schoss wie eine Explosion hervor. Mühsam rappelte sich Hawthorne auf und versuchte, die Leiche des Tugaren in Sicherheit zu ziehen.
    Aber der Sturzbach kam immer näher.
    »Tut mir Leid«, sagte Hawthorne benommen, wandte sich ab und stolperte, während der Erdwall hinter ihm noch weiter zusammenbrach, den Damm entlang, den Hang des Berges hinauf, in dem der Damm im Norden verankert war. Im Schutz des Berges angekommen, warf er sich zu Boden.
    Wasser bringt mir von jeher nur Schwierigkeiten, dachte er und versuchte, die übrigen Gedanken zu verbannen, die jedoch nicht weichen wollten.
    Und so sind sie vielleicht wie ich geworden, und ich bin letztlich ihnen ähnlich geworden, dachte er, erfüllt von Seelenqual.
    Die Wasserwand wurde auf dem Weg hangabwärts noch schneller und maß jetzt fast zweihundert Meter in der Breite und über fünfzehn Meter in der Höhe, und so prügelte sie wütend auf die Bergflanken ein und trieb einen heulenden Wind vor sich her.
    Die Woge drehte sich in ihrem Kanal und krachte direkt nach Westen weiter, verbreiterte sich und nahm Kurs auf die Unterstadt.
    Gott wird mir jetzt nie wieder vergeben, dachte Hawthorne wie betäubt. Ich habe gerade Zehntausende eigenhändig umgebracht.
    »Wir haben nur noch fünf Schuss pro Mann, Colonel!« Nachdem die letzten Geschosse der Napoleoner verfeuert waren, schlossen sich O’Donald und seine Männer den schrumpfenden Reihen des 35. an. Eine Pfeilsalve nach der anderen prasselte auf sie ein, und in jeder verstreichenden Sekunde schienen Männer zu Boden zu gehen und verstärkte sich der Eindruck, dass bald keine mehr übrig sein würden. Die Tugaren hatten immerhin gelernt, keine Feuerwaffen anzugreifen; ihre enggeschlossenen Linien hielten Position auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes, wo die Bogenschützen drei oder gar vier Reihen tief standen. Die Schützenreihe der Menschen, die so lange standgehalten hatte, fiel nun lautlos unter dem tödlichen Hagel.
    Während die Schüsse weniger wurden, hob sich eine einsame Stimme aus den Reihen:
    »Ja, wir sammeln uns um die Flagge, Jungs. Wir sammeln uns ein weiteres Mal, und stimmen den Schlachtruf der Freiheit an!«
    Innerhalb eines Augenblicks breitete sich der Gesang unter den Männern aus, die, während sie sich um die Flagge drängten, ihre Stimme hoben und so ihren Trotz gegen den Feind zum Ausdruck brachten.
    Ein kalter Schauer durchlief Andrew bei diesem Gesang. Ein einziges Mal hatte er die Männer bislang in der Schlacht singen gehört, damals bei Fredricksburg, aber seither nicht mehr.
    Der Klang der Stimmen jagte es ihm kalt über den Rücken, füllte ihm die Augen mit Tränen und das Herz mit abschließendem Stolz in diesem letzten Augenblick des Regiments.
    Noch nie hatte er erlebt, dass Truppen so gut standhielten, keinen Zentimeter wichen, während die schrumpfenden Ränge um die Flaggen zusammenrückten. Die Linie hielt wie ein Fels, und die Männer waren entschlossen, dort zu sterben, wo sie jetzt standen.
    Andrew warf einen Blick hinter die Reihen. Die Menschenmassen fanden keinen Platz mehr, wohin sie noch hätten flüchten können. Die meisten Menschen lagen auf den Knien und beteten und erwarteten so das Ende.
    Hans trat an Andrews Seite.
    »Viel können wir nicht mehr tun«, stellte er grimmig fest. Er griff in die Tasche, holte ein Stück Kautabak hervor,
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