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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht
Autoren: Mary Monroe
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Aber was kann denn schlimmstenfalls passieren?“
    „Dass ich so aussehe wie vor meiner ersten Operation.“
    „Dr. Harmon hat dir versichert, dass das nicht der Fall sein wird. Der Knochenaufbau ist erhalten geblieben, es wurden nur die künstlichen Implantate entfernt. Schlimmstenfalls hast du eine leicht zurückweichende Kinnlinie. Das ist keine große Sache. Du hast Glück.“
    Trotzdem machte sie sich Sorgen, wie Michael auf ihr neues Aussehen reagieren würde.
    „Oh, ich verstehe, es geht um mich.“
    „Ja“, flüsterte sie. „Ich werde es in jedem Fall überleben. Aber ich mache mir Sorgen, ob du mich noch magst.“
    Er schüttelte seufzend den Kopf. „Komm her.“ Er streckte die Arme aus. Anstatt sie zu umarmen, führte er sie jedoch ins Bad vor den Spiegel über dem Waschbecken und stellte sich hinter sie. „Charlotte, betrachte dich im Spiegel.“
    Ihr Kopf war unter Bandagen verborgen mit Ausnahme der Öffnungen für Augen, Mund und Nase. „Ich kann mich nicht sehen.“
    „Falsch. Wenn du magst, was du jetzt sehen kannst, ist der Rest fast gleichgültig. Ich mag es jedenfalls.“ Er ließ sie vor dem Spiegel allein.
    Irgendwie hatte er Recht. Gegen das Weiß der Bandagen schienen ihre Augen besonders ausdrucksvoll zu strahlen. Sie zeigten die wahre Charlotte. Lange genug hatte sie Rollen gespielt. Es war Zeit, zu sich zu stehen.
    Als sie sich umdrehte, gaben sich Michael und Dr. Harmon an der Tür zu ihrem Zimmer die Hand. Sie trat vom Spiegel zurück, wandte sich ihnen zu und lächelte unter den Bandagen.

EPILOG
    „S chönheit ist Wahrheit, Wahrheit schön – soviel
    wisst ihr auf Erden,
    und dies Wissen reicht.
    – John Keats –
    Charlotte fuhr in der schicken Limousine vom Flughafen in L.A. in die fruchtbaren Hügel und Täler Südkaliforniens zurück, die sie nun ihr Zuhause nannte. Die Fahrt wurde unruhig, sobald sie vom Highway abbogen und sich auf Nebenstrecken dem Mondragon-Besitz näherten. Sie schaukelte auf dem weichen Rücksitz, während sie durch das Fenster auf das üppige Grün der Landschaft blickte. Dort drüben war die offene Weide, wo sie mit Michael Tontaubenschießen geübt hatte. Und da oben war das kleine Gehölz mit seinem Überfluss an Nachtschattengewächsen.
    Lächelnd dachte sie daran, wie reich ihr Leben in den zwei Jahren seit ihrer zweiten Operation geworden war. Reicher noch als die Gärtnerei, die Michael wieder aufgebaut hatte, und die dank der hundert Acres, die sie ihm zur Hochzeit geschenkt hatte, noch größer geworden war. Ihr eigenes Haus hatte sie mit großem Gewinn verkauft und den Erlös in eine Vorzugsimmobilie gesteckt, die an den Mondragon-Besitz angrenzte und von dem die Familie jeden Frühling geträumt hatte.
    Sie sah ihr Spiegelbild im Fenster. Sie war immer noch eine attraktive Frau, wenn auch nicht mehr mit dem perfekten Gesicht wie damals. Allerdings war es auch nie ihr Bestreben gewesen, eine überragende Schönheit zu sein. Sie hatte nur normal aussehen wollen, um geliebt zu werden. Dr. Harmon hatte Recht behalten mit seiner Prognose. Sie hatte lediglich eine leicht zurückweichende Kinnlinie. Sie drehte den Kopf ein wenig und sah ihr Profil. Nett, nein sogar schön. Jedenfalls war dies das Gesicht, das Michael liebte.
    Außerdem war es das Gesicht, das Millionen Menschen im ganzen Land gestern im Fernsehen gesehen hatten. Sie hatte Vicki Ray ein Exklusivinterview gewährt. Das erste seit ihrem Verschwinden seinerzeit, das den Appetit der Medien geweckt hatte. Nach den tumulthaften Szenen damals nach der Show hatte Vicki Ray sich anständig verhalten. Sie hätte genügend Munition gehabt, die Klatschpresse monatelang zu füttern. Aber sie hatte geschwiegen und ihre Privatsphäre respektiert.
    Für diese menschliche Anständigkeit hatte Charlotte sie angerufen und ihr ein Interview angeboten. Ihr Hauptanliegen war es gewesen, einer breiten Öffentlichkeit die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie vorzustellen, besonders für Kinder mit angeborenen Deformierungen. Indem sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit ging, hoffte sie das Spendenaufkommen für jene Organisationen zu erhöhen, die Kindern rund um den Globus notwendige Operationen ermöglichten. Und wenn sie nur einem Kind eine Kindheit wie die eigene ersparen konnte, hatte es sich gelohnt.
    Sie ließ einen Finger über Wange und Kinn gleiten. Nicht, dass sie ihre Vergangenheit ändern wollte, sie hatte schließlich hierher geführt.
    Am Eingang zum Besitz der Mondragons
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