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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht
Autoren: Mary Monroe
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entließ sie den Fahrer. Sie wollte den Wind im Gesicht spüren, wenn sie den Rest des Weges zu Fuß ging. Ihren Koffer schob sie in einen Schuppen, nahm den Schmuck ab, zog die Nadeln aus dem Haar und ließ es lang herunterhängen.
    Endlich war der Lärm der Stadt weit weg. Der Wind wehte in der Dämmerung den Parfumduft des Nachtjasmins herüber. Ihr Herz schien einen Sprung zu machen. Ja, sie war zu Hause. Glücklich stieg sie forschen Schrittes die Anhöhe hinauf zum Haus, wo Michael und die Familie auf sie warteten.
    Während sie dem Kiesweg folgte, stellte sie sich Luis und Manuel am kleinen Tisch beim Fenster vor, wie sie Bier tranken und Domino spielten. Cisco hatte sich vermutlich mit einer riesigen Schale Eiskrem vor dem Fernseher geparkt. Er war jetzt in der Pubertät, ein hübscher Junge, groß und dunkel wie sein Tío Miguel, den er verehrte.
    Marta werkelte zweifellos in der Küche und summte beim Zubereiten der Saucen für das Dinner. Maria Elena begeisterte sich fürs Kochen und war die beste Hilfe ihrer Großmutter. Was Rosa anging … sie hatte Küchenarbeit nie gemocht, und keiner zwang sie mehr. Stattdessen hatte sie sich am College eingeschrieben. Wenn sie nicht mit ihrem Mann in der Gartenservice-Firma arbeitete, die ihnen jetzt gehörte, oder Vorlesungen hatte, steckte sie die Nase in Bücher. Michael hatte allerdings darauf bestanden, dass Manuel und Rosa zur Eheberatung gingen, ehe er ihnen das Geschäft überschrieb. Anfänglich hatten sie sich geweigert, doch jetzt waren sie ihm dankbar. Rosa wurde das Lieblingsziel für Bobbys Spottlust, der sie aufzog, sie sei der wahre Akademiker in der Familie.
    Der liebe Bobby, dachte Charlotte und blieb am Rande des Gehölzes stehen, um Atem zu schöpfen. Es ging ihm gut, seit er mit sich und seinem Vater Frieden geschlossen hatte. Was seine Aids-Erkrankung anging, da waren sie optimistisch. Mit Dr. Xavier Navarros Hilfe und den Medikamenten hielt er sich wacker und lebte in der Blockhütte neben dem Quellteich, die Michael ihm zusammen mit den Rechten an der Quelle überlassen hatte. Mit der Zeit würden die Einkünfte aus der Mineralwasserquelle ihm genügend für seine Behandlung einbringen und ihm ermöglichen, weiter zu malen.
    Im Wäldchen war es bereits tief dunkel. Eine Fledermaus flog im Zwielicht über sie hinweg. Sie wusste, Michael würde auf der vorderen Veranda stehen und erwartungsvoll den Weg hinabblicken. Rasch ging sie an dem kleinen Bach vorbei, aus dem die Pferde nach einem Ritt gerne tranken. In der Ferne sah sie im letzten Licht die ausgedehnten Felder mit den kräftigen Pflanzen der Baumschule.
    In den zwei Jahren seit ihrer Heirat mit Michael hatten sie hier das Fundament für ihre eigene Familie gelegt mit derselben harten Arbeit, die Luis und Marta vor über einem Vierteljahrhundert geleistet hatten. Sie sahen die Jahreszeiten kommen und gehen mit allen Kapriolen und Unwägbarkeiten der Natur. Und so sehr sie dieses Land liebten, erlagen sie nie der Illusion, alles bliebe auf ewig, wie es war. Die Natur war ständig im Wandel begriffen, und das bedeutete Unsicherheit. Doch sie waren überzeugt, alle Veränderungen zu überstehen.
    Sie kam an dem Grenzstein zu ihrem Grundstück vorbei, auf dem ein ausladendes weißes Haus im spanisch-kalifornischen Stil mit tiefrotem Dach stand. Sie lächelte, als sie Michael auf der vorderen Veranda entdeckte. Gegen die Holzpergola gelehnt, blickte er den Weg hinab. Ein tiefes Bellen kündigte ihre Ankunft an. Als Nächstes ertönte ein hohes Quieken, und Charlotte musste lachen, als sie ihre Tochter mit den strammen Beinchen strampeln sah, damit ihr Daddy sie absetzte.
    „Mama! Mama!“
    Charlotte ließ die Tasche fallen und eilte ihrer Tochter entgegen. Bär, ihr großer schwarzweißer Hund, warf sie fast um, als er sie freudig bellend und winselnd umtanzte. Charlotte öffnete die Arme, und Marguerite warf sich hinein. Mit ihrer zarten Haut, dem glänzenden schwarzen Haar und den strahlend blauen Augen war sie ein bildhübsches Kind. Doch vor allem an ihrem perfekten kleinen Kinn konnte Charlotte sich nicht satt sehen.
    Sie presste die Einjährige an sich, wiegte und küsste sie und blickte zu Michael, der sie voller Zuneigung betrachtete.
    Sie lächelte ihn an. Für sie war ein Märchen wahr geworden. Michael erwiderte ihr Lächeln, das mehr sagte als tausend Worte. Sobald sie ihren kleinen Wirbelwind gleich zu Bett gebracht hatten, würden sie sich lieben. Anschließend würde Michael
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