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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht
Autoren: Mary Monroe
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bevorstand, vielleicht zu viel für sie war. Hatte er das Richtige getan?
    Ein junger Mann in Platzanweiser-Livree, die zwei Nummern zu groß war, unterbrach seine Gedanken und gab ihm einen Ausweis, dass er sich hinter der Bühne aufhalten durfte.
    „Miss Ray möchte wissen, ob Sie noch etwas benötigen, Mr. Mondragon. Wasser vielleicht oder Kaffee?“
    „Weder noch, danke. Sagen Sie ihr, ich bin bereit.“
    „Sie öffnen jetzt die Türen für das Publikum. Die Show beginnt in etwa fünfzehn Minuten.“
    Michael rieb sich die Augen, während der Platzanweiser durch den Mittelgang verschwand. Kichernd und schwatzend nahmen die Leute im Publikum ihre Plätze ein. Er hörte Gesprächsfetzen. Der Name Charlotte Godfrey fiel, ihr Oscar-Gewinn wurde erwähnt, und dass sie der heiße neue Star sei. Und wenn alles gut ging, wurde es eine tolle Show.
    Helena Godowski spähte hinter der Gardine vorsichtig auf die Straße hinunter. Die lange schwarze Limousine samt Fahrer stand immer noch dort! Unglaublich. Wie lange würde der noch warten? Nun ja, sie fuhr jedenfalls nicht ins Studio, und damit basta. Sie nestelte an den Knöpfen ihrer weißen gestärkten Bluse herum. Der junge Mann hatte Nerven, ihr das Auto zu schicken, obwohl sie ihm doch gesagt hatte, sie würde nicht kommen. Wie viel kostete wohl so ein Auto?
    Was kümmerte es sie, dass der junge Mann sehr mitgenommen ausgesehen hatte. Er hatte kein Recht, sich in Dinge einzumischen, die ihn nichts angingen. Sie wusste natürlich, wer er war: der Bursche, den Charlotte angeblich heiraten wollte. Der Gedanke, dass ihre Tochter endlich einen Ehemann gefunden hatte, stimmte sie ein wenig milder. Er schien recht nett zu sein, er sah gut aus, und er war höflich. Und überzeugend. Aber das änderte nichts zwischen ihr und Charlotte.
    Als sie vom Fenster zurücktrat, nagte ein leichtes Schuldgefühl an ihr, weil sie Charlottes Leben der letzten Jahre konsequent geleugnet hatte. Charlotte war immerhin ihre Tochter. Aber ihre Charlotte hätte sie nicht verlassen und hätte ihr auch nicht so hässliche Dinge gesagt. Zuerst verliere ich den Geliebten, dann meine Tochter, dachte sie voller Selbstmitleid.
    Zögernd ging sie zum Fernseher. Was schadete es schon, sie sich wenigstens anzusehen? Niemand würde es erfahren. Sie würde nur einige Minuten zuschauen, um zu sehen, ob Charlotte so krank war, wie dieser Mondragon behauptete.
    Sie schaltete ein, als Charlotte zum donnernden Applaus ihrer Fans die Bühne betrat. Helena sank in den Sessel und fühlte sich ganz klein, wie am Abend der Oscar-Verleihung, als sie nur gestaunt hatte über Schönheit und Haltung jener Charlotte Godfrey, dem großen Star, der ihre Tochter war.
    Sie achtete nur halb auf die Filmausschnitte, betrachtete Charlottes zweifellos schönes Gesicht und dachte an sie als Kind. Vicki Ray sagte etwas, dass Charlotte ihren Agenten heiraten wolle, einen gewissen Freddy Walen. Erschrocken richtete sie sich auf. Was war das? Ihr Agent? Wie konnte das sein? Wollte Charlotte nicht diesen netten jungen Mr. Mondragon heiraten?
    Die Kamera schwenkte hinter die Bühne auf einen untersetzten Mann in den Fünfzigern mit üppigem grauen Haar, dunklen Brauen und einem Oberlippenbart unter der aristokratischen Nase.
    Helena erbleichte, legte eine Hand an die Kehle und beugte sich zum Bildschirm vor. „Grundgütiger Himmel!“ rief sie aus und sprang auf. Die Kamera schwenkte wieder auf Charlotte, die von ihrer bevorstehenden Hochzeit sprach. Helena hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Was sollte sie tun? War die Welt verrückt geworden? Wie sehr wollte Gott sie noch prüfen?
    Sie lief in den Flur, schnappte sich Mantel und Tasche und hetzte die Treppe hinunter. Keuchend erreichte sie die schwarze Limousine, die immer noch am Straßenrand wartete. Sobald sie eingestiegen war, setzte der Wagen sich in Bewegung. „Bitte Gott!“ flehte sie leise und presste die Hände zusammen. „Lass mich nicht zu spät kommen.“

25. KAPITEL
    H eftiges Pochen an der Tür holte Charlotte aus halber Bewusstlosigkeit. Sie hob die schweren Lider, sah sich benommen in dem dämmerigen Raum um und erinnerte sich, wo sie war. Vicki Rays Studio. Wie lange hatte sie hier so gelegen? Viele Erinnerungen waren ihr durch den Kopf gegangen.
    Es klopfte wieder, jemand rüttelte am Türgriff und rief ihren Namen. Sie zuckte zusammen, als hätte jemand sie geschlagen.
    „Geht weg!“ rief sie und hielt sich die Ohren zu. Sie fühlte sich wie das
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