Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
drinnen und ließen das Feuer Tag und Nacht brennen. Selbst die Pferde durften dort stehen, die Kälte hätte sie sonst nach wenigen Tagen umgebracht. Mir ist schleierhaft, wie die Wildpferde die winterliche Kälte überleben, sie stammen wohl von einer widerstandsfähigeren Rasse ab.«
    Dielan kratzt sich im Nacken und wirft einen Blick zu dem Jungen. Sein Enkel hat das Zeug zu einem guten Häuptling. Er ist klüger als sein Vater, und darüber ist Dielan froh.
    »Wir jagten Hirsche im nördlichen Teil des Tals und Bergziegen in den Schluchten. Die übrige Zeit fällten wir Bäume. Die Bermarer hatten Hagdar gezeigt, wie man die Stämme miteinander verzahnen musste, und mit seiner Hilfe gelang es uns, bis zum Frühjahr eine Hand voll Langhäuser zu errichten. Als der Schnee schmolz, dichteten wir die Wände mit Moos und Erde ab. Wir wärmten uns in der Sonne auf und dankten Kragg für das Tal, in das Bran uns geführt hatte. Mein Bruder und ich unternahmen viele Jagdausflüge, und wir erforschten das neue’ Land bis zu der Schlucht im Norden. Wir fanden heraus, dass das Tal länger war, als wir es uns vorgestellt hatten. Die Tirganer zähmten Wildpferde und bald konnten wir unseren ersten Ausritt machen. Wir kamen bis zur Nordschlucht und ritten durch sie hindurch bis auf die andere Seite. Dort sahen wir die Fichtenwälder und die riesigen Steinblöcke, und Flüsse, in denen so viele Lachse schwammen, dass man sie mit der bloßen Hand fangen konnte. Später sollten wir auf das Volk treffen, das oben in Kragg-Nar lebt, aber bis dahin vergingen noch viele Winter.
    Wir hatten ein gutes Leben hier in diesem Tal, Shian. Es gab viel Wild, und das gab uns Sicherheit. Die Bären führten uns zu den Beerensträuchern in den Bergen, und die Wolfsrudel sangen uns jede Nacht mit ihrem Geheul in den Schlaf. Hin und wieder sahen wir einen Raben unter dem Himmelszelt. Das war Kragg, der sich seinem Volk zeigte. Denn welcher Gott sonst hätte uns dieses Tal gezeigt?«
    »Aber Bran sah einen anderen Gott.« Shian räuspert sich und sieht unsicher zu Dielan auf, weil er ihn unterbrochen hat. Aber Dielan lächelt ihn an und kratzt sich an der Brust.
    »Bran sah Cernunnos.« Er schiebt den Gürtel unter seinen dicken Bauch. »Er sah Den, der Hörner trägt. Und ich glaube, das quälte ihn, Shian. Er wusste nicht, an welchen Gott er sich wenden sollte. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass er sie alle verleugnete. Aber jetzt lass mich weitererzählen, Shian. Du wolltest doch wissen, was mit Bran geschah. Und du sollst es erfahren.«
    Dielan holt tief Luft und blickt ins Dorf hinunter. Er kann die Häuser nicht sehen, aber die verstreuten offenen Stellen im Laubdach verraten ihm, wo sie liegen. Rauch steigt von den Herdfeuern auf, und der Wind treibt den Duft von Fleischsuppe zu ihm herauf.
    »Der Winter ging und der Sommer kam, und nach dem Sommer kam der Herbst. Bald wurde es wieder Winter, aber die Langhäuser schützten uns vor der Kälte. Brans und meine Familie lebten unter einem Dach, und an den Winterabenden saßen wir am Feuer und sahen unseren Kindern zu, die über den Boden krabbelten und spielten. Konvai war zwar älter als Ulv, aber die beiden vertrugen sich gut. Und Gwen und Tir wurden wie Schwestern. Tir brachte uns viel über Kräuter und Heilmittel bei, sie wollte ihr Wissen gern mit anderen teilen. Wir hatten eine gute Zeit, Shian. Hagdar baute eine Schmiede und begann, Stahl zu schmieden, wie er es in Ber-Mar gelernt hatte. Er war bald ein Meister im Formen von Eisen, und ich bin sicher, dass der alte Karr stolz auf ihn gewesen wäre. Wir sind es jedenfalls, und obwohl Hagdar inzwischen der Älteste von uns ist, hat er noch jede Menge zu tun.«
    »Er hat Mutters Armreifen geschmiedet.« Shian fasst sich ans Handgelenk. »Er sieht aus wie eine Schlange.«
    »Ja, ein schönes Schmuckstück ist das. In den ersten Jahren war Hagdar noch nicht so geschickt, aber er hatte genügend Zeit, sein Handwerk zu lernen. Unsere Söhne wuchsen auf, und ehe wir uns versahen, wurde es Zeit, sie mit auf die Jagd zu nehmen und ihnen beizubringen, wie man Fährten las und Bogensehnen flocht, und alles, was ein Mann sonst noch können musste. Man konnte sehen, was für eine Freude das Bran bereitete. Er war so stolz auf seinen Sohn. Er wurde niemals müde, mit ihm zu spielen. Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er mit dem Kleinen vor dem Haus herumtobte, während Tir lachend im Türrahmen stand.«
    Dielan greift sich an die Stirn.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher