Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Titel: Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
Autoren: Margaret Weis
Vom Netzwerk:
den Berg hineinführte. Die rauen Wände waren direkt aus dem Gestein des Berges herausgemeißelt. Die Luft war kalt. In den erdigen Geruch mischten sich Weihrauchduft und Parfüm, die aus dem vor ihr liegenden Heiligtum in den Gang vordrangen.
    Das Heiligtum war eine grob behauene Höhle, die Melisande so vorkam, als hätte sich einfach eine riesige Pranke einmal in den Fels gegraben und sie ausgehoben. Die Wände und die Kuppeldecke des eiförmigen Raums bestanden aus zerklüftetem, bröckelndem Fels. Der Steinboden hingegen war von den Füßen zahlloser Schwestern blank geschliffen.
    Am Nordende der Höhle stand ein Altar aus weißem Marmor, der so groß war, dass ein ausgewachsener Mann darauf reichlich Platz gehabt hätte. Dieser Altar galt als das Erste Wunder, denn er war so groß, dass er nicht durch die Tür gepasst hätte, und so schwer, dass hundert Männer ihn nicht hätten hochheben können. Dennoch stand er hier unten. Der Legende nach hatte die Erde selbst ihn der Ersten Meisterin zum Geschenk gemacht.
    Der Marmoraltar war mit wunderschönen Reliefs verziert, die lauter Drachen darstellten. Man sah ihm sein Alter an, denn das weiße Gestein hatte sich leicht gelblich verfärbt. In Ritzen und Kerben hatte sich Staub festgesetzt, so dass jede Drachenschuppe einen deutlichen, schwarzen Rand aufwies.
    Auf der glatten Oberfläche des Altars ruhte ein eisernes Becken in Form von zwei behütenden Händen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Schwesternschaft war es, die heilige Flamme darin zu nähren. Sollte sie jemals verlöschen, so hatte es die Erste Meisterin prophezeit, so würden die Drachen siegen, und Seth würde fallen. Das Feuer wurde mit Torf genährt, den man unten im Tal im Moor abstach und zu Briketts formte. Dann schleppten die Torfstecher die Briketts den Berg hinauf. Abgesehen von den Männern, die jeden Monat zur Paarung ausgewählt wurden, waren dies die einzigen männlichen Wesen, die sich dem Kloster nähern durften. Fünf Meilen vor den Mauern legten sie den Torf ab. Von dort ab übernahmen die Kriegerinnen den Transport.
    Die Schwestern trugen den Torf persönlich die Treppe hinunter in eine kleine Höhle neben dem eigentlichen Heiligtum. Dort wurden die Briketts von der Meisterin gesegnet. Außerdem wurden sie mit Weihrauch und Parfüm getränkt, um das Feuer rein zu halten. Durch einen Schacht in der Decke zog der heilige Rauch aus dem Berggipfel ab. So konnten die Menschen in der Stadt Seth an wolkenlosen Tagen zu den Bergen blicken, die feine Rauchfahne des Beckens bemerken und in der tröstlichen Gewissheit leben, dass die Meisterin über sie wachte.
    Jede Schwester kniete auf einem kleinen Wollteppich, der mit den Symbolen des Wachsamen Auges, der Hütenden Hand und der Schützenden Hand bestickt war. Die eine Hand hielt einen Speer, die andere einen Blitz, die beiden Verteidigungsmittel, die ihnen gegen die Drachen zur Verfügung standen: der Speer der Kriegerin und die magischen Blitze der Schwesternschaft.
    Als Melisande eintrat, waren alle Schwestern bereit. Kniend bildeten sie einen Kreis um das große Auge, das in den Granitboden gemeißelt war. Dieses Auge war das Zweite Wunder. Angeblich war es an dem Tag erschienen, als die Meisterin vor dem Altar gekniet und gelobt hatte, hier gegen die Drachen zu kämpfen. Die Schwestern hatten die Teppiche so gelegt, dass jede zum Auge hinblicken konnte. Mit gesenkten Köpfen murmelten sie ihre Gebete. Alle waren anwesend. Nur die Meisterin fehlte noch. Besorgt fragte sich Melisande, ob die Anstrengung für die gebrechliche Frau zu groß war. Womöglich war sie krank. Sie wollte sich gerade auf die Suche machen, als einige Schwestern sie bemerkten und sich tief vor ihrer Hohepriesterin verneigten.
    Jetzt konnte Melisande nicht mehr gehen. Ihr plötzliches Verschwinden würde unter den Schwestern Besorgnis hervorrufen und sie aus ihrer Konzentration reißen. Die Meisterin war eine stolze Frau. Sie würde es Melisande nicht danken, wenn diese sie holen kam, als hätte sie ihre Pflichten vergessen oder vernachlässigt. Wenn die Meisterin ausblieb, würde sie ihre Gründe haben.
    Melisande verneigte sich vor ihren Schwestern. Mit fließenden Bewegungen nahm sie ihren Platz am Kopf des Kreises vor dem Marmoraltar ein. Die Schwestern trugen ihre heiligen Gewänder aus der reinen Wolle weißer Lämmer, die an den Säumen mit Augen und Händen bestickt waren. Melisandes Gewand war ähnlich, doch ihres war schwarz und an den Säumen mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher